Zum Sonntag: Zeit ist Gnade

Veröffentlicht am Sa, 05.01.2013
von Erika Schlatter-Ernst

Wir sprechen von der guten alten Zeit und wünschen uns bessere Zeiten. Manchmal erleben wir, dass die Zeit wie im Flug vorübergeht. Oder auch, wie sich in Erwartung eines Ereignisses Wochen und Monate zäh dahinbewegen. Die Empfindungen beeinflussen unser Zeitgefühl. Am Anfang eines neuen Jahres ist eine gute Zeit, um darüber nachzudenken.
In Büblingshausen bei Wetzlar gibt es eine merkwürdige Kirchturmuhr. Auf dem Ziffernblatt steht „Zeit ist Gnade“. Das sind genau 12 Buchstaben, die anstelle der Zahlen stehen.Mir gefällt diese Kirchturmuhr. Sie macht deutlich: Zeit ist eben nicht allein etwas, das wir messen können. Zeit ist nicht nur die gezählte Minute und vergehende Stunde. Zeit hat noch eine ganz andere Dimension: Zeit ist Gnade, Zeit ist ein Geschenk!
Im griechischen, der Sprache des Neuen Testaments, gibt es zwei Worte für die Zeit: Chronos und Kairos. Chronos sind Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Jahre. Messbare Zeit, die vergeht, wie ein Naturgesetz. Diese Zeit kann man nicht aufhalten. Und weil wir mit jedem Tag älter werden, erleben wir sie manchmal als gnadenlos. Kairos, das ist ein Augenblick, der aus einem Tag herausragt und der uns erfüllt. Eine Stunde, die einfach schön ist - oder bedeutsam! Die Chronos-Zeit tickt erbarmungslos auf jeder Uhr. Aber der Kairos, der erfüllte Moment, den muss ich mir bewusst suchen. Vielleicht haben Sie ihn erlebt in den vergangenen Tagen, in einem Spaziergang, beim Lesen eines Weihnachtsbriefes, in Begegnungen und Gesprächen in der Familie oder mit Freunden.
Mein Wunsch für dieses neue Jahr: Suchen wir die Zeit nicht nur auf der Uhr. Machen wir die Augen auf und entdecken wir das Wertvolle in jeder einzelnen Stunde. Die "Zeit der Gnade" ist uns versprochen. Sie kommt von Gott und fällt uns zu. Sie ist ein Geschenk des Himmels. Gottes Spur in einem neuen Jahr, das vor uns liegt.Pfarrerin Erika Schlatter-Ernst,
Evang. Kirchengemeinde Ludwigsburg West