Zum Sonntag: Von der Würde des „Dazwischen“

Veröffentlicht am Sa, 28.05.2016
von Irmtraut Aebert
Pfarrerin, Evang. Kirchengemeinde Remseck - Pfarramt Hochdorf

Haben  Sie sich schon mal bewusst beim Gehen zugeschaut? Ein Fuß wird abgehoben, schwebt ein Stück durch die Luft und wird wieder abgesetzt. Der andere hält derweil das Gleichgewicht.Da gibt es dieses „Dazwischen“, das „In-der-Luft-hängen“, ohne das wir nicht vorwärts kommen.Manchmal ist das im Leben auch so. Vielleicht durch einen äußeren Anlass,  einen Umzug oder Arbeitsplatzwechsel oder durch den Verlust eines lieben Menschen. Manchmal verändert man sich auch innerlich und spürt: mein Leben passt nicht mehr zu mir, ich  muss etwas ändern. Dann kommt es zu diesem „Dazwischen“. Das Alte passt nicht mehr, das Neue ist noch nicht in Sicht. Ehrlich gesagt mag ich solche Zeiten nicht besonders. Ich weiß lieber, wo ich hingehöre, habe gern einen äußeren Rahmen, in dem ich mich dann entfalten kann. Eine Geschichte fällt mir dazu ein: An einem Abend schickt Jesus seine Jünger weg. Sie sollen mit dem Boot ans andere Ufer fahren. Er bleibt zurück und betet. Mitten in der Nacht sehen sie dann eine Gestalt über´s Wasser kommen und erschrecken zutiefst. Ist das Jesus? Wie kann das sein? Über´s Wasser gehen. Das sichere Ufer verlassen. Aufbrechen, auch wenn ich nicht weiß, wie es geht und wo ich landen werde. Dazu braucht es Mut und Vertrauen.Es kostet Mut, Unklarheit auszuhalten, mal nicht zu wissen, wer ich bin und was ich will. Zumal in einer Zeit, die alles taktet. Auch die inneren Entwicklungen sollen da möglichst schnell abgeschlossen sein.Und es braucht Vertrauen. Das Vertrauen, dass Gott jeden meiner tastenden Schritte begleitet, dass er von innen heraus etwas Neues in mir wachsen lässt. Und dass ich es wahrnehmen werde, wenn ich nach innen höre.Das kann seine Zeit dauern. Aber es liegt auch eine Chance darin. Die Chance auf ein authentisches Leben, die Chance auf manche neue Entwicklung auch in unserer Gesellschaft.Ja, es braucht dieses „Dazwischen“. Es macht meine Freiheit aus und meine Würde.