Zum Sonntag: Doppelte Lebenskunst

Veröffentlicht am Sa, 19.10.2019
von Georg - Pfr. i. R. Schützler

Die Innenseite unseres Lebens hat es schwer, sich in unserer lauten Welt Gehör zu verschaffen, denn diese Seite kann nicht vermarktet werden. Zudem lässt sich die Innenseite unseres Lebens nicht über die elektronischen Medien vermitteln, weder über das Fernsehen noch über das Internet. Denn im Herzensraum, im Seelenraum lassen sich keine Kameras aufbauen oder Mikrofone installieren. 

„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, schreibt Martin Buber. Die Innenseite unseres Lebens nährt sich von wirklicher Kommunikation jenseits von Small Talk, von Begegnung auf Augenhöhe, von unverzweckter Begegnung, die keine Resultate zu liefern hat. Die Innenseite lebt von all dem, was uns auf der Herzensebene berührt. Das kann himmlisch oder menschlich daherkommen, göttlich verwoben im Wort, im Traum oder in der Geste meiner Schwester oder meines Freundes.

Es entspricht wahrhaft einer anspruchsvollen Lebenskunst, den beiden Seiten des Lebens gerecht zu werden, die Außen- und Innenseite gleichrangig nebeneinander wahrzunehmen, sie zu beachten und zu pflegen.

Zum Beispiel ist das einander zugewandte Gespräch auf einer Wanderung genauso zu würdigen, wie ein kulinarisches Festmahl. Da ist die Meditation mit einem nach innen gerichteten Ohr genauso zu pflegen, wie der Hörgenuss eines Konzertes. Da ist das Gebet gen Himmel ebenso zu achten, wie die Arbeit im Garten. Das eigene Traumerleben gilt es ähnlich ernst zu nehmen, wie das Lesen, Hören und Sehen von Nachrichten. Eine Psychotherapie ist ebenso zu schätzen, wie die Behandlung eines Knochenbruchs. Viele weitere Beispiele könnten hier aufgeführt werden, die etwas von dieser Lebenskunst verdeutlichen, die den beiden Seiten des Lebens gerecht wird.

Viel Glück bei dieser Kunst wünscht Ihnen

Pfarrer i.R. Georg Schützler, ehemals Friedenskirche