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Andacht- und Predigt Archiv

Von den Armen her denken

Veröffentlicht am Fr, 18.07.2014
von Franz Nagler
Pfarrer / Kath. Kirche, Kath. Kirchengemeinde St. Martinus Kornwestheim

Es ist ein Unterschied, ob ich den Armen Almosen zukommen lasse, Entwicklungshilfe leiste oder den Ursachen der Ungerechtigkeit nachgehe und dabei die befreiende Kraft der Armen entdecke. Es ist ein Unterschied, ob wir die Armen mit dem Abfall unseres Reichtums,  als Belehrende für eine bessere Zukunft abspeisen, oder ob wir es lernen in der Welt miteinander zu lernen, sogar von den Armen her  zu lernen. Es ist ein Unterschied, ob wir uns als die edlen Geber, als  Dozierende betrachten, oder ob wir uns als ihre Partner, Freunde und Geschwister verstehen. Ob der Begriff der Armut, wie die dahinterstehende Wirklichkeit für uns heute eine explosive Kraft entwickeln kann, hängt von unserer  Haltung ab, ob wir uns in erster Linie als Helfer, Geber der Armen verstehen oder ob wir bereit sind einen radikalen Kurswechsel zu vollziehen, indem wir von den Armen her denken. Die Ahnung, dass hier etwas ganz neues entstehen kann, lässt dieses Wort Armut so wertvoll werden. Die Herausforderung besteht nun darin, von den Armen selbst her zu denken, wie sie handeln, wie sie leiden, welche Wege sie zu einem würdigen Leben suchen und finden. Es gilt für uns Reiche zu begreifen, dass in der Armut Menschen anders Mensch werden. Ihr Leben wird nicht von Statussymbolen, Karieredenken  Bonuszahlungen bestimmt, sondern  von der Notwendigkeit, wie als Mensch und miteinander leben, überleben zu können. Von den Armen, bzw. den Armgemachten her denken heißt in diesem Sinne die befreiend Kraft der Armen wahrnehmen, sie in die Mitte stellen, ja sogar von ihrer Lebenswirklichkeit, ihren Lebenswerten und Lebensnöten her  ausgehend an einer neuen Weltordnung zu stricken.
Das Wort Armut, wie die dahinterstehende Wirklichkeit wird zwar weiterhin unsere Teilbereitschaft brauchen. Wenn jemand hungert oder kranke ist, braucht er jetzt Hilfe und nicht erst, wenn einmal gerechte Strukturen und ein gutes Gesundheitssystem geschaffen sind, aber mit dem was Papst Franziskus meint, ist eine andere Dimension angesagt. Unser Leben, unsere Pastoral, das Haushaltsdenken der Städte darf nicht nur von unseren Bedürfnissen und Wünschen ausgehen, sondern will von den Armen selbst her gedacht werden, um daraus befreiende Schlüsse  ziehen zu können. Bislang wird im Staat, wie in den Kirchen zu oft die Armut, die Asylproblematik verwaltet und stößt damit natürlich an Grenzen, die auf der anderen Seite wieder den Rechtsradikalismus fördern, anstatt mit den Betroffenen, mit ihren Lebenserfahrungen Wege zu suchen, ahnend, dass auf diesem Wege befreiende Aspekte für die eigene Gesellschaft ausgehen können. Selig die Armen, sagte Jesus und er hatte damit Recht.

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