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Andacht- und Predigt Archiv

Umgang mit dem Fremden

Veröffentlicht am Fr, 30.10.2015
von Hans-Martin Brombach
Pastor / Evang. Method. Kirche, Sonstige Dienste

Ich denke an die Berichte der Einweihung der bis dahin größten Moschee in Deutschland: Die Ditib-Moschee in Duisburg Marxloh. Der Weg bis zum Bau ist freilich auch dort begleitet gewesen von teils heftigen Protesten. Etwas verwunderlich deshalb, weil es bis dahin dort schon über 50 unterschiedliche islamische Gotteshäuser gab. Und der im osmanischen Stil errichtete Bau ersetzte nur ein schon bestehendes Gotteshaus. Deutlich wurde dabei, dass die Angst vor einer möglichen Islamisierung nicht immer rational zu begründen ist. Fragen die im Raum stehen sind: „Was passiert, wenn uns eine Fremde Religion überrollt? Was ist, wenn das christliche Abendland seine gewachsene Prägung verliert?“
Ich gebe zu, dieses Unbehagen kommt auch in mir immer wieder hoch angesichts des Zustroms fremder Menschen aus mir fremden Kulturen. Aber schnell kommen auch ganz andere Gedanken in mir hoch: Verliert nicht das sogenannte christliche Abendland gerade dann seine Prägung, wenn Toleranz und Gastfreundlichkeit nicht mehr gelebt wird? Verlieren wir als Christen nicht unsere Glaubwürdigkeit und entfernen uns von dem Zentrum der urchristlichen Botschaft des Evangeliums, wenn wir nicht im Geist Jesu freundlich und herzlich auf andersdenkende Menschen zugehen? Ja muss sich eine christliche Kultur, die mit Überzeugung gelebt wird, wirklich davor fürchten, dass sie von anderen Glaubensvorstellungen überrollt wird?
Da scheint mir der Knackpunkt zu liegen: Vielleicht hätte das christliche Abendland, hätten wir Christen viel weniger Angst vor dem Islam, wenn wir unseren Glauben und unsere christlichen Überzeugungen leidenschaftlicher, fröhlicher und profilierter ausdrücken würden? Hat die Angst vor dem Fremden nicht vielmehr ihren Nährboden in der Unsicherheit und Unfähigkeit, den eigenen Glauben in Worte und Taten zu fassen? Nur wer seiner eigenen Identität sicher ist, sie fundiert mit Leben füllen kann, kann auch ohne scheu auf die Anhänger anderer Religionen und Kulturen zugehen und ihnen auch mit offenen Armen begegnen. Das ist die beste Werbung für die eigene Kultur und ihren christlichen Hintergrund.
Wir haben vor einigen Tagen unsere Kirchenräume für Menschen geöffnet, die auf ihrer Suche nach einer (Über-)Lebensmöglichkeit in unserer Nachbarschaft einquartiert wurden. Unbeachtet ihrer Herkunft und ihres Glauben sollen sie hier mit Menschen Erfahrungen machen können, die ihnen u.a. auch erlebbar und erfahrbar machen, was christlich-abendländische Kultur ausmacht. Und die ersten Begegnungen haben deutlich Ängste voreinander abgebaut. Wir sind Menschen begegnet, die etwas von unserem Leben erfahren wollen und von denen wir etwas aus ihrer Kultur erfahren. Viele Muslime sind darunter, mit denen wir eins gemeinsam festgehalten haben: Wir haben einen Gott, den Gott Abrahams und gehören miteinander zu den abrahamitischen Religionen. Und wir haben eine gemeinsame Vision: Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen. Das ist eine gute Grundlage für weitere gemeinsame Erfahrungen. Wir werden dabei immer deutlich machen, dass unsere treibende Kraft die in unserem Leben erfahrene Liebe Gottes in Jesus Christus ist und bleibt, durch die wir angstfrei anderen uns fremden Menschen und ihrer Kultur begegnen können.

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