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Nicht gewinnen zu müssen und trotzdem nicht zu verlieren.

Veröffentlicht am Fr, 30.05.2014

Dir stehen alle Türen offen. Es kommt darauf an, was du daraus machst.
Du bist die Beste. Nur du kannst dich noch selber schlagen. Jetzt kannst du dich beweisen.
Das wird jungen Leuten oft mit auf den Weg gegeben, wenn sie mit der Schule fertig sind.
Scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten – größt mögliche Freiheit. Die Erfolge gehen auf das eigene Konto – oft im wahrsten Sinn des Wortes. Die andere Seite: Jeden Misserfolg muss ich mir auch selbst zuschreiben. Die scheinbar große Freiheit hat eine Kehrseite: Druck, Stress, Zwang.
Nicht unbegrenzte Möglichkeiten, sondern begrenzte, daraus entsteht eine andere Art Freiheit:
Mich nicht ständig beweisen und die eigene Existenz rechtfertigen müssen, nicht Urheberin des eigenen Lebens sein und sich selbst wieder und wieder neu erfinden müssen.
Nicht alles ausreizen müssen, sondern Spielräume lassen; nicht immer mehr Druck machen, sondern auf- und durchatmen können.
Den Siegeszwängen entkommen, formuliert Fulbert Steffensky, das ist Ökumene – nicht nur die unter den Kirchen, sondern auch den Religionen, Staaten, Machtblöcken. Ökumenisch Denken und Leben bezieht die anderen ein, weil mein Leben immer ein Zusammenleben mit anderen ist, auch mit den Gegnern. Sie lassen sich nicht einfach aus der Welt schaffen, es sei denn mit Gewalt. Um im Frieden miteinander oder auch nebeneinander zu leben, braucht es nicht Drohungen und Sanktionen sondern Spiel-Räume, damit sich etwas bewegen kann, damit Menschen sich bewegen, verändern können, die anderen und wir selbst.
In vielen Konflikten z.B. in der Ukraine zeigen sich die verhängnisvollen Mechanismen von Siegeszwängen: Jede Seite muss sich durchsetzen und fordert Opfer. Wer kann die Spirale der Gewalt vor Ort noch durchbrechen und kann der Westen wieder aussteigen aus der Androhung immer schärferer Sanktionen?
Den Siegeszwängen entkommen.  Nicht gewinnen müssen - das eigene Leben nicht. Es ist geschenkt. In den Begrenzungen, die es mit sich bringt, kann ein Stück Freiheit liegen.
Nicht gewinnen müssen – auf Gewalt verzichten, weil die Wahrheit nicht nur auf meiner Seite und der Irrtum nicht nur auf der Seite der anderen ist. Wir sind alle wahrheitsfähig und irrtumsfähig. Wir müssen streiten können. Drohungen sind aber oft schon der Anfang von Gewalt.
Nicht gewinnen müssen – Spielräume öffnen für Vorläufiges, Spielräume, in denen das Leben atmen kann, neu in Bewegung kommt.
Den Siegeszwängen entkommen, das lässt mich etwas von dem Geheimnis erfahren, nicht gewinnen zu müssen und trotzdem nicht zu verlieren.

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