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Andacht- und Predigt Archiv

Mit Bildern sprechen

Veröffentlicht am Fr, 22.07.2016
von Franz Nagler
Pfarrer / Kath. Kirche, Kath. Kirchengemeinde St. Martinus Kornwestheim

den Stöpsel im Ohr, Smartphones geben die Bilder mit Erklärungen wieder, Handykameras klicken vor jedem Bild. Mit dieser Art und Weise, Bilder, Gegenstände in Museen anzuschauen, erreicht man gerade das Gegenteil dessen, was der Sinn solcher Besuche ist. Die Bilder werden zum Verstummen gebracht, obwohl sie doch zu uns reden wollen. Die technischen Möglichkeiten, die Bilder digital aufzunehmen, fördert die Unfähigkeit, mit den Bildern ins Gespräch zu kommen.

Man sieht die Bilder, wie es Kant nannte, mit „interesselosem Wohlgefallen“. Man sieht die Bilder an, ohne sich auf sie einzulassen. Die Bilder werden konsumiert. Ihr Wert liegt darin, ob sie uns gefallen oder nicht. Wo einst die Künstler wollten, dass uns ihre Bilder ansprechen, uns eine, ihre Botschaft vermitteln, da werden sie zur Ware. Man kann sie in die Kameras stecken, kaufen, abgebildet auf Tassen, auf Taschen, auf Kugelschreibern oder sonst wo. Dabei wollen die Bilder zu uns sprechen. Sie wollen mit uns in einen Dialog treten. Bilder sind Sinneinheiten. Sie wollen mehr als Information oder Unterhaltung sein. Sie wollen nicht Geschehenes wiederholen, sondern sichtbar machen und uns damit betreffen. Ein Bild ist etwas Lebendiges.

Wo Bilder nicht mehr sprechen, sind sie tot. Damit stirbt aber auch der Mensch, der sie betrachtet, geistig und seelisch. Er endet in der Einsamkeit der Zeitgenossen, die sich von nichts und niemandem mehr berühren lassen. Umgeben von Unmengen von stummen Bildern verhungern sie inmitten der Fülle der Bilder. Doch wenn der Mensch nicht mehr mit Bildern ins Gespräch kommt, dann gelingt ihm dies letztendlich auch nicht mehr mit seinen Mitmenschen. Alles wird irgendwie zu einem Konsumartikel. Es gibt dann noch das leere, banale Gespräch über Gefallen oder Missfallen, aber das ist es auch schon. Anstelle von Begegnungen macht der Mensch von sich ein Selfie, das aussagt, wie er sich selber gern sähe, sein Wesen verbergend.

Der Selfie-Mensch macht sich letztlich selber zur Ware, die er dann aufbewahrt, anderen zeigen kann: Schau, da war ich, das bin ich. Das ist dann die einzige Botschaft. Vielleicht sind wieder Urlaube ohne Smartphones und Handys denkbar, auf einer Wiese liegend Berge und Seen zu sich sprechen lassen oder stundenlang vor einem Bild stehen und fragen, was es mir sagt, sich vielleicht mit seinem sozialen Werdegang beschäftigen. Dann treten wir aus toten Rahmen von Bildern heraus und werden selbst zu lebendigen Bildern. Ein weiterer Schritt wäre aus der Welt der Museen herauszutreten, um die grausamen wie schönen Bilder des Lebens in diesem Sinne an sich heranzulassen.


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