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Andacht- und Predigt Archiv

Geh aus mein Herz

Veröffentlicht am Fr, 04.05.2018
von Bettina Zehner
Diakonin, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Diakonat -

Gewalt, Plünderungen und Hungersnöte erreichten ein bisher nicht gekanntes Ausmaß, in manchen Landstrichen wurden 2/3 der Bevölkerung ausgerottet. 30 Jahre Krieg – eine unvorstellbare lange Zeit – damals lag die Lebenserwartung bei unter 40 Jahren.
Was hat sich seitdem alles geändert. Unsere Fortbewegung ist schneller geworden - wir fahren nicht mehr mit Kutschen, wir fahren Auto oder Rad und fliegen sogar zum Mond. Unsere Kommunikation ist schneller geworden – wir schreiben nicht mehr mit der Feder, sondern verständigen uns per Smartphone. Wir sind gesünder, dank guter Medizin, wir leben nicht mehr als Leibeigne, wir haben eine Demokratie und unsere Lebenserwartung ist fast doppelt so hoch. Fast alles hat sich seitdem geändert. Leider ist der Krieg geblieben. Auch heute noch leben viele Menschen jahrelang im Krieg.
Aber noch etwas ist uns geblieben – seit fast 400 Jahren erklingt immer mit Frühlingsbeginn in den meisten Kirchen ein ganz bestimmtes Lied.
Geschrieben hat es der Pfarrer Paul Gerhard. Er war gerade 46 Jahre, hatte den 30jährigen Krieg und die Pest überlebt und schon manche Schicksalsschläge erleiden müssen. Er hatte seine Eltern früh verloren, ein Bruder und dessen kleine Tochter waren gestorben und in jeder Familie seiner Gemeinde begegnete ihm Trauer und Not.
Ich stelle mir vor, wie Paul Gerhard morgens, vielleicht nach einer schlaflosen Nacht, in seinen Garten geht und wie er dort steht und sich umschaut. Er sieht, wie die Natur um ihn blüht, er atmet tief durch und das Herz wird ihm weit angesichts dessen, was er da sieht.
Und er schickt sein Herz weiter auf die Suche nach Schönheit, die ihm Freude schenken kann. Und er findet viel. In 15 Strophen entfaltet er, wie viel Schönes es auf der Erde gibt, wie viel Grund zum Staunen und zur Freude: Bäume, Narzissen, Tulpen, Wiesen, Lerchen, Tauben, Nachtigallen, Bienen, Bächlein, Weizen und vieles mehr und er schreibt auch darüber, wem er diese Freude zu verdanken hat.
Die Popularität dieses Liedes ist ungebrochen und auch seine heilende Wirkung. Wer dieses Lied singt, dem geht das Herz auf und kann, wenigstens für einen Moment, die Sorgen und Nöte hinter sich lassen.
Ich weiß nicht, wie wir in 400 Jahren leben werden, was sich bis dahin alles verändern wird. Aber ich hoffe, dass dieses Lied bleibt und dass auch in 400 Jahren Menschen beim Singen dieses Liedes das Herz aufgeht.


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