Dem Vergehen nachgehen

Veröffentlicht am Fr, 18.11.2016
von Ulrich Theophil
Pfarrer, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Pfarramt Johanneskirche
Pfarrer, Evang. Kirchenbezirk LB - Bezirksämter -

 Es vergeht die Wärme des Tages, es vergeht der Schwung für viele Außenaktivitäten, es vergehen die Blätter an den Bäumen. Ein Rückzug in vielen Lebensbereichen stellt sich ein. Viele Menschen hüllen sich ein in einen warmen Schal, ziehen sich zurück an einen stillen Ort, lassen die Dinge im Leben auch mal ruhen. Da ist so manches in diesen Wochen, das sich in einen „Stand-by-Modus“ versetzt. Mensch und Natur gehen dem nach, sie geben dem Raum, was die Zeit des Spätherbstes mit sich bringt. Der Monat November ist die Zeit, in der dem Vergehen sehr intensiv nachgegangen werden kann. Nicht nur, weil Menschen in dieser Zeit die verstorbenen Angehörigen besonders in dem Blick nehmen und die Grabmäler auf den Friedhöfen hergerichtet werden. Nein, auch weil die Gebrechlichkeit und die Ruhebedürftigkeit des Lebens augenscheinlich hervortritt. Im Leben geht es nicht ständig aufwärts, es geht nicht immer nur voran. Es wird nicht immer nur alles besser, höher und weiter. Leben hat nicht nur das Streben nach Verbesserung und Optimierung, sondern auch nach Ausruhen und Loslassen. Das Leben entfaltet sich auch im Vergehen. Dies ist eine zunächst widersprüchlich wirkende Aussage. Doch bei näherem Hinsehen lässt sich nachvollziehen, was dahintersteht. Wo etwas im Leben abbricht, da ist dann Platz vorhanden für etwas Neues. Wo ausreichend ausgeruht wird, da kann Kraft gewonnen werden für andere Aufgaben. Wo des Sterbens gedacht wird, da kann auf das eigene Leben aufmerksamer geachtet werden. Wo etwas gänzlich abstirbt, da wird Gott es in seiner unergründlichen Weisheit und Ewigkeit weitertreiben. In jedem natürlichen Vergehen ist der Keim des Neuen verborgen. So ist es wahrlich kein Vergehen, dem Vergehen im eigenen Leben nachzugehen.