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Andacht- und Predigt Archiv

Dem Leben verbunden

Veröffentlicht am Fr, 10.05.2019
von Ulrich Theophil
Pfarrer, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Pfarramt Johanneskirche
Pfarrer, Evang. Kirchenbezirk LB - Bezirksämter -

Wir genießen das Leben in vollen Zügen. Und das Schöne ist, wir haben reichlich Möglichkeiten und Gestaltungsweisen dies für uns anzugehen und umzusetzen. Wir leben in einer Generation und in einer Gesellschaft, die für sehr viele eine solche selbstbestimmte Lebensweise ermöglicht.  Die eigene persönliche Gestaltung des Lebens steht bei uns im Vordergrund. Wir leben gerne, wenn wir frei und ungebunden uns all dem widmen können, was uns persönlich am Herzen liegt und was uns Freude bereitet. Mit diesem Gefühl der freien Ungebundenheit fühlen wir uns dem Leben sehr verbunden. Es ist eine Friedensdividende der letzten 74 Jahre. 
Doch macht uns diese große Freiheit im Leben in der Tiefe wirklich zufrieden und glücklich? Zufriedenheit und Glück hängt nicht am Maßstab der freien Verfügung von Lebenszeit, es hängt nicht am Einkommen oder am Leistungsvermögen. Wenn das so wäre, dann müssten in Deutschland nur zufriedene und glückliche Menschen leben, doch das tun sie beileibe nicht. 
Auf welchem Boden des Lebens wachsen Zufriedenheit und Glück, und damit Sinn? Auf welchem Boden treibt mein Leben seine Früchte?  Nehme ich wahr, worauf mein Leben sich aufbaut, von was es getragen ist? Dem Leben sich verbunden fühlen, das heißt das Gemeinsame bedenken. Ohne den Anderen geht es nicht. Es sind doch vor allem die Menschen, mit denen ich das Leben teile. Menschen, die mich von klein an prägten, mit denen ich gerne zusammen bin, und für die ich mich in Zukunft auch kümmern möchte.  Und doch: 41 % aller deutschen Haushalte sind Einpersonenhaushalte. Die Zahl nimmt zu, Menschen leben allein, gewollt oder ungewollt. Welche Folgen ergeben sich daraus? 
Dem Leben sich verbunden fühlen, das heißt auch ohne die Natur geht es nicht. Eine Binsenweisheit. Und doch: Nehme ich in Kauf, wenn die Artenvielfalt auf unserer Welt in sich zusammenbricht und immer weniger Tier und Pflanzenarten fähig sind, sich schnell an die veränderte Lebenswelt anzupassen? Wenn ihnen eigene Lebensräume gänzlich genommen werden und sie keine Chance haben auszuweichen? Die Natur bleibt auf der Strecke, wenn die Menschen weiterhin so auf ihrer frei gewählten Strecke bleiben.
Dem Leben verbunden sein, heißt deswegen in dieser Zeit auch: dem Leben verpflichtet sein. Wer über die Verpflichtung dem Leben gegenüber nachdenkt, der wird anders handeln, anders konsumieren, sich anders fortbewegen, sich anders um Andere kümmern.
Und ein Letztes: Unser Leben hier auf Erden braucht Rückzugsorte.  Das Leben braucht Räume, die zweckfrei sind, die nicht einem Nutzen oder Ausnutzen untergeordnet werden. Es braucht Räume, in denen die Seele zur Ruhe kommen darf, wo sie nicht gefordert oder überfordert wird.
Dieser Raum ist für mich im Glauben an Gott gegeben. Dem Leben verbunden sein, heißt auch für mich, zu seinem Glauben zu stehen.



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