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Angedacht: Zwischen den Zeiten

Veröffentlicht am Fr, 28.12.2012

Mir gefällt die Vorstellung „Zwischen den Zeiten“/“Zwischen den Jahren“ zu sein. Das klingt geheimnisvoll und aufregend, nach einem Ort an dem andere Regeln, vielleicht auch andere Themen und Herangehensweisen gelten. So als hätte man, wie ein Teenager,  gerade einem Mädchen oder einem Jungen zum ersten Mal zugeflüstert „ich liebe dich“: Die Worte sind einem eben über die Lippen gegangen, sie schweben und klingen noch in der Luft, sind noch nicht erhört, warten noch auf Resonanz, scheinen Ewigkeiten zu brauchen -  und man selbst hängt auch in der Luft, die eigene Existenz ist in der Schwebe, man staunt über seinen eigenen Mut oder die eigene Torheit, wer weiß, weil man die Antwort noch nicht kennt, die einen erhebt oder stürzen lässt. Zwischen den Zeiten sind die Dinge in der Schwebe, das ist aufregend.Auf welche Weise erreichen unsere Liebeserklärungen ans Leben, erreichen unsere Wünsche und Hoffnungen, die wir aus 2012 lossenden, das neue Jahr? Es ist noch in der Schwebe.
Wir befinden uns zwischen den Zeiten.
Ein Hirnforscher würde versuchen uns zu ernüchtern und sagen, die Entscheidungen, die wir treffen sind schon gefallen, noch eher wir sie uns bewusst machen, die Nervenbahnen im Gehirn sind verschaltet und die Dinge gehen ihren Weg, es gibt eigentlich gar keine bewussten Entscheidungen, das Vertraute wiederholt sich.
Philosophen wie Ernst Bloch würden heftig widersprechen und darauf hinweisen, dass das Hoffen und Träumen von einer anderen Welt  Ausdruck eines Mangels in dieser Welt, in unserer aktuellen Lebensweise ist und dass unsere Hoffnung ein Aufbegehren ist, gegen die Ketten, die uns gefangen halten und unsere Hoffnungen die noch nicht gewordenen Möglichkeiten sind, die vor uns liegen.Wir sind zwischen den Zeiten, in der Schwebe: Bleibt alles beim Alten? Finden Aufbrüche statt? Bringen wir die Kraft zum Protest und den Mut zum Betreten neuer Räume auf? Wird unsere Liebe zum Leben erhört, findet unsere Sehnsucht Wiederhall?
Zwischen den Zeiten klingt auch noch Weihnachten in uns nach. Und von dort ertönt Aufbruchsstimmung: Zwischen all den Gängelungen der Mächtigen finden sich an der Krippe einfache Hirten und ausländische Weise zusammen und entdecken gemeinsam eine neue Hoffnung und  tragen sie auf ihre je eigene Weise in die Welt. Zwischen der Not und der Armut, blüht Leben auf und Hoffnung - und all das, so wird uns berichtet, ist eine Liebeserklärung Gottes an uns und an die Welt.  Kommt von daher, dieses eigenartige Gefühl in der Schwebe zu sein, zwischen den Zeiten?

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