Zum Sonntag: Verzicht?

Veröffentlicht am Sa, 17.02.2018
von Albrecht Häcker
Geschäftsführender Pfarrer, Evang. Kirchengemeinde Ludwigsburg-Poppenweiler

„In einer Sache schweigen, über die alles klatscht, über Menschen und Einrichtungen ohne Feindschaft lächeln, das Minus an Liebe in der Welt durch ein Plus an Liebe im Kleinen und Privaten bekämpfen: Durch vermehrte Treue in der Arbeit, durch größere Geduld, durch Verzicht auf manche billige Rache des Spotts und der Kritik, das sind allerlei Wege, die man gehen kann“ - Hermann Hesse hat in seiner „Lektüre für Minuten“ (1977) unter der Überschrift „Verzicht“ eine Wesensart des Fastens zu Wort gebracht, die mich fasziniert. Oft wird bei diesem Thema an mühsames Abnehmen, an Entschlacken des Körpers, an einen schwer fallenden Verzicht gedacht – all das hat seine Berechtigung. Dem entsprechend laden die Kirchen mit ihren verschiedenen Aktionen zur Fastenzeit („Befreit zum Verzicht“, „Sieben Wochen ohne“ usw.) dazu ein, zusammen mit Gleichgesinnten eine Zeit lang auf lieb gewordene (Ess-)Gewohnheiten zu verzichten. Mir selbst haben solche Aktionen schon manches neue Verhalten (nicht nur beim Essen) vermittelt.

Hermann Hesse sieht einen positiven Verzicht auf der Ebene des menschlichen Miteinanders – und wenn ich seine Worte ernst nehme und umzusetzen versuche, wird sich ganz sicher manch positive Entwicklung ergeben. Vielleicht können dadurch sogar verfahrene Beziehungen wieder neu belebt werden.

Um den guten Erhalt des mitmenschlichen Umgangs geht es auch in der Bibel: „So sieht ein Fasten aus, das mir gefällt: Löst die Fesseln der Menschen, die man zu Unrecht gefangen hält … Teilt euer Brot mit den Hungrigen, nehmt Obdachlose bei euch auf … Helft, wo ihr könnt, und verschließt eure Augen nicht vor den Nöten eurer Mitmenschen! Dann wird mein Licht eure Dunkelheit vertreiben wie die Morgensonne, und in kurzer Zeit sind eure Wunden geheilt.“

In diesem Sinne: Eine gute Fastenzeit!