Zum Sonntag: Sommerliebe

Veröffentlicht am Sa, 03.09.2016
von Martin Mohns
Pfarrer, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Pfarramt Thomaskirche

Als Jugendpfarrer weiß ich: Die Sommerferien eignen sich hervorragend für wunderschöne bis tragische Liebesgeschichten. Hier kommt eine ganz besondere der ersten Sorte.Vor einigen Sommern saß ich mit guten Freunden in Tübingen auf den Treppen vor der Stiftskirche. Mit zu unserer Runde gehörte ein einjähriges Mädchen. Schon eine ganze Weile sah ich aus dem Augenwinkel einen Mann in unserer Nähe, der immer wieder umher ging und die leeren Pfandflaschen der Leute einsammelte. Seine Klamotten schienen auch nicht mehr die Frischesten zu sein. Und auf einmal kommt er zu uns rüber und sagt: »Das ist aber ein süßes Kind. Ist ein Mädchen, oder?« Ganz langsam streckt er seine Hand in Richtung des kleinen Mädchens und beginnt, so liebevoll er es kann, mit ihr zu sprechen.Ich vermute, viele Eltern hätten an dieser Stelle den verwahrlosten Mann aufgefordert, ihr Kind in Ruhe zu lassen. In unserem Fall lies es die Mutter zu. Und gab dem Mann dadurch die Bestätigung, dass auch er fähig ist, Liebe zu zeigen. Eine ganz kleine und doch ganz bedeutsame Liebesgeschichte ist das für mich. Denn sie zeigt, worum es bei der Liebe geht. Um Mut zum ersten Schritt. Und um Vertrauen in einen anderen Menschen. Vielleicht war der Mann auch naiv. Mut und Naivität vermischen sich ja manchmal schnell. Aber er spürte: Vertrauen. Die Mutter vertraute diesem Mann, dass er liebevoll mit ihrem Kind umgehen wird. Was für ein Vertrauensvorschuss!Wie bewerten wir das jetzt? Unverantwortlich? Grade noch mal gut gegangen? Wahrscheinlich würden wir uns wundern müssen, wieviele Situationen »grade noch mal gut gegangen wären«, hätten wir uns auf sie eingelassen.