Sie sind hier: Gemeindebrief > A - Z > Predigt + Andacht - Archiv

Andacht- und Predigt Archiv

Zum Sonntag: Schau an der schönen Gärten Zier...

Veröffentlicht am Sa, 07.09.2013

Der Pfarrer macht seinen Rundgang durch das Dorf und bleibt an einem wunderschön angelegten Garten stehen. Voller Bewunderung sagt er zu dem Mann, der sich darin zu schaffen macht: "Wie im Paradies! Da hat Ihnen unser Herrgott aber einen herrlichen Ort geschenkt und schöne Blumen und Pflanzen wachsen lassen. "Ja", knurrt der Gärtner, "aber Sie hätten den Garten mal sehen sollen, als ihn unser Herrgott noch ganz allein bewirtschaftet hat!"

Offensichtlich hat der Gärtner in dieser Anekdote ursprünglich eine Wildnis angetroffen, ganz anders als der erste Mensch, von dem es in Genesis 2 heißt, dass Gott ihn in einen Garten gesetzt habe. Der Mensch darf zusehen, wie "allerlei Bäume aufwachsen aus der Erde, verlockend anzusehen und gut zu essen". Der erste Garten, Eden, beantwortet also schon die Frage, ob ein Garten schön sein soll oder nützlich: natürlich beides! Eine unschlagbare Verbindung, und dazu kommt die Lust, einen Garten zu bewirtschaften, was bei aller Arbeit pures Vergnügen ist. Von dieser Lust zeugt die wachsende Zahl von Garten- und Landzeitschriften, die sicher nicht vom Zeitungssterben bedroht sind. Befinden wir uns mitten in einer zweiten Biedermeierzeit, wo die Rückkehr in die Idylle des Gartens der Enttäuschung über mangelnde Gestaltungsmöglichkeit an den politischen Zuständen entspringt - Neoliberalismus als Restauration? Ist ein Gespräch über Bäume nicht zugleich ein Verbrechen, weil es das Schweigen über so vieles beinhaltet, wie Brecht einst meinte? Jakob Augstein beschreibt in seinem Bestseller "Die  Tage des Gärtners" durchaus die Verbindungen zwischen gärtnerischer und politischer Arbeit. Ist erstere zunächst eine künstlerische und philosophische Tätigkeit, die keinen unmittelbaren Nutzen bringt außer der Schönheit und Erkenntnis, so hält sie doch die Sehnsucht nach einem Ort offen, der für alle Menschen ein Elysium sein könnte. Beim Graben können einem die besten Ideen kommen - über den Umgang mit Grenzen, Zäunen, Unkraut und Schnecken. Die Welt war als Garten gedacht, in dem alles Leben leben will - lernen wir vom Ur-Gärtner Gott, wie wir hier unseren Auftrag, zu bebauen und zu bewahren, gestalten können.

Zur Übersicht

Die wöchentlichen Andachten
evangelischer bzw. ökume-
nischer Autorinnen und Autoren (Angedacht KWZ
und Zum Sonntag, LKZ)
werden zeitnah in diesem
Archiv erfasst.