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Andacht- und Predigt Archiv

Zum Sonntag: Pfingsten 2013

Veröffentlicht am Sa, 18.05.2013
von Michael Vinçon
Geschäftsführender Pfarrer, Evang. Kirchengemeinde Ludwigsburg-Auferstehungskirche

Fast alle Menschen feiern gern Geburtstag. Sie genießen es, für einen Tag im Mittelpunkt zu stehen.     Sie lassen sich beschenken und freuen sich darüber, wenn andere sagen: schön, dass es dich gibt.
Neulich traf ich eine alte, aber noch sehr rüstige Dame, mit der ich mich über ihren bevorstehenden Geburtstag unterhalten habe. Sie sagte zu mir: „Ich würde ja schon gern groß feiern, aber kommen will da doch keiner!“ Auf meine Nachfrage hin, ob sie denn keine Angehörigen und Freunde habe, hat sie erwidert: „Ja schon, aber viele fahren in den Urlaub, wenn mein Geburtstag ansteht, und die anderen müssen sich noch von Ostern erholen. Und stellen Sie sich mal vor“, hat sie zu mir gesagt,          „viele wissen nicht einmal,  dass ich Geburtstag habe. Alle Welt feiert doch gern Geburtstag, aber mich vergessen sie einfach. Vielleicht bin ich doch zu alt.“
Und dann wurde die alte Dame noch ein wenig schärfer im Ton und fragte mich: „Haben Sie sich schon einmal überlegt, mit wem ich feiern soll, wenn nicht einmal meine eigenen Leute kommen wollen?  Ganz alleine feiern ist doch ziemlich fad. Was mich aber am meisten ärgert: Die Leute merken gar nicht, dass sie etwas verpassen, wenn sie nicht zu meiner Geburtstagsparty kommen.   Natürlich meine ich nicht Sekt und Häppchen, die gib`s auch sonst überall. Und mir geht es auch gar nicht um mich. Wenn man so alt ist, wie ich, dann ist das nicht mehr so wichtig, dass man selber groß rauskommt. Die Menschen sollen spüren, dass sie zusammengehören, dass sie miteinander unterwegs sind. Wäre das nicht ein Fest wert?
Unser Gespräch liegt jetzt schon wieder einige Zeit zurück, aber ich muss gestehen, dass die alte Dame mich ganz schön ins Nachdenken gebracht hat. Übrigens, die alte Dame, von der ich hier erzählt habe, ist niemand anderes, als die Kirche, aber das haben Sie sich vielleicht schon gedacht.
Immer wieder muss ich an ihre Worte denken. „Wir Christen gehören zusammen“, hat die alte Dame gesagt. Stellen Sie sich mal vor, was wäre denn der Glaube an Gott ohne Gemeinschaft? Jeder Christ für sich allein im stillen Kämmerlein, das wäre doch furchtbar. Was wäre der Glaube ohne Liebe, ohne Austausch, ohne Begegnung? Das wäre doch eine frustrierende Angelegenheit. Soweit sollten wir es nicht kommen lassen.
Vergessen wir die alte Dame nicht, die uns alle gerne dabei hätte, wenn an vielen Orten an Pfingsten ihre Geburtstagsparty steigt.
Michael Vinçon, Pfarrer an der Auferstehungskirche in Ludwigsburg 

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