Veröffentlicht am Sa, 18.05.2019
"Nehmen Sie doch bitte Platz" - wie schön ist es, diesen Satz zu hören! Er fällt uns oft gar nicht mehr als etwas Besonderes auf. Wie besonders er aber ist, wurde mir eindrücklich, als diese Bitte von einem Menschen ausgesprochen wurde, der im Sterben lag. Er konnte nicht mehr viel tun, aber er sagte voller Würde: "Nehmen Sie doch bitte Platz!"
Einen Platz zu haben, ist wahrlich keine harmlose Sache. Nicht umsonst kreisen viele Kinderspiele um den Platz und aktivieren spielerisch die Angst, eben keinen zu haben.
Man denke nur an die temporeiche "Reise nach Jerusalem", bei der absichtlich ein Stuhl zu wenig da steht und die vorfindlichen erobert werden wollen. Oder das Spiel um den rechten Platz, der neben mir leer ist: "Da wünsch ich mir die/den her...."- Werde ich gewünscht? Bekomme ich, genau ich, den Platz?
Das Diakonische Werk hat zur Europawahl und zum Weltflüchtlingstag eine Kampagne organisiert: "Platz für Asyl in Europa". Eine Installation auf dem Marktplatz in Stuttgart mit möglichst vielen Stühlen sollte sichtbar machen, dass hierzulande und in Europa Platz ist für Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Elend fliehen.
Rund 1000 kreativ gestaltete Stühle sind am letzten Mittwoch dort von verschiedenen Gruppen zusammen getragen worden. Und jeder Asylstuhl zeigte, dass Menschen bereit sind, ihr Leben zu teilen und für die gerechte Verteilung der Ressourcen zu kämpfen.
Angesichts dieses Themas geraten ja manche in Wallung. Wir Christinnen und Christen sind da angstfrei. Oder vielmehr: wir könnten es sein. Denn wir leben im Vertrauen, dass wir einen festen Platz bei Gott, im Lebendigen haben. Verankert sind wir da, gehalten.
Was für eine Sicherheit!
Dies ist die Basis, uns entschieden für Menschen in Not einzusetzen und ihr Recht auf einen sicheren Ort zu verteidigen. Ich behaupte, es ist eine Qualität von Leben, zu ihnen zu sagen: "Nehmen Sie doch bitte Platz!"
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