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Andacht- und Predigt Archiv

zum Sonntag: Modell für konstruktives Streiten: Peter und Paul

Veröffentlicht am Sa, 04.07.2020
von Pfr. Alois Krist, Kath. Kirche Ludwigsburg

Vor der römischen Basilika „Sankt Paul vor den Mauern“ finden sich die Skulpturen der Apostel Petrus und Paulus, deren Doppelfest wir am vergangenen Montag gefeiert haben: Sie stehen einander gegenüber und sind einander zugewandt, von Angesicht zu Angesicht. Im Brief des Apostels Paulus an die Galater stoßen wir auf den biblischen Bezug dieser Darstellung. Während Petrus der Auffassung ist, alle Heiden müssten zuerst beschnitten werden, bevor sie getauft werden können, tritt ihm Paulus entgegen und widerspricht im „ins Gesicht“: Nein, dies dürfe nicht geschehen, zumal dann die Liebe Gottes in Jesus Christus nicht mehr bedingungslos sei. Petrus lässt sich davon berühren und überzeugen, so dass es möglich wurde, dass das Evangelium auch uns erreichen konnte. Alle Menschen sind von Gott bedingungslos geliebt, so die gemeinsame Botschaft schlussendlich. Entscheidend ist die Qualität des Streites: Weil beide Apostel von der Liebe Christi zutiefst erfüllt sind, lassen sie diesen Raum der Liebe auch zwischen sich zu. Weil beide Apostel sich vom liebevollen Blick Jesu Christi angeschaut wissen, schauen sie beim Streiten einander in die Augen und signalisieren damit, dass es ein Kämpfen um die je größere Liebe ist. Weil die von gegenseitiger Wertschätzung geprägte Beziehungsebene geklärt ist, können sie auf der Sachebene im Austausch der je besseren Argumente umso ehrlicher und direkter streiten, ohne sich gegenseitig abwerten zu müssen. In diesem liebevollen Kampf gibt es nicht Sieger und Verlierer, vielmehr ist die ganze Menschheit Gewinnerin.

Petrus und Paulus fordern uns auch heute heraus. Sie erinnern uns daran, dass der für konstruktives Streiten erforderliche Raum der Liebe ein Geschenk des Heiligen Geistes ist. Wo diesem Geist der Einlass ins eigene Herz verweigert wird, regiert wieder das Stammhirn mit seiner Botschaft: Ich oder Du! Entweder ich gewinne oder Du! Beide Apostel ermutigen uns dazu, unserem Streitpartner direkt ins Gesicht zu schauen und notfalls ins Angesicht hinein zu widersprechen. Sie trauen uns zu, solange miteinander vis à vis zu ringen, bis sich unsere Herzen berühren und die neue, für alle hilfreiche Lösung, sich von selbst einstellt – auch heute.

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