Zum Sonntag: Lob des Nichtstuns

Veröffentlicht am Sa, 08.11.2014

Lob des Nichtstuns Gott und Lenin sind daran schuld, dass aus müßiggehenden Paradiesbewohnern Arbeitstiere wurden: das steht geschrieben in der Augustausgabe der Zeitschrift GEO (8/14, 109f). Lenin zitiere Paulus ("Wenn jemand nicht arbeiten will, soll er auch nicht essen", 2.Thessalonicher 3,10) und Gott habe das Nichtstun nach Gen.3,19 so verdammt: "Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen". Lassen wir den Zeltmacher Paulus jetzt mal beiseite, der stolz darauf sein durfte, sein Geld mit seinem Handwerk verdienen zu können, und konzentrieren uns auf die Paradiesgeschichte. Liest man diese genau, wird deutlich,  dass es die Menschen selbst waren, die das süße Nichtstun nicht mehr aushielten und deshalb auf eine Stimme hörten, die sie letztlich zu Sklaventreibern ihrer selbst gemacht hat.  Will man aber "sein wie Gott", kann man zumindest hierin sein Ebenbild werden:"Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, indem er am siebenten Tage ruhte von allem, was er gemacht hatte." (frei nach Gen 2,2).Erst durch die Ruhe im Anschluss wird die Schöpfung vollendet; und wenn jetzt der Ruhetag, der Sonntag, den Anfang der Woche bildet, so heißt das: Erst das Vergnügen, dann die Arbeit! Wenn wir mit dem Sonntag, dem Auferstehungstag, dem allwöchentlichen Klein-Ostern, unsere Woche beginnen, dann steht am Anfang der Woche nicht das Klingeln des Weckers, die unruhige Nacht, der geblendete Blick in den Spiegel. Dann steht die Ruhe am Anfang der Woche, dann beginnen wir aus dem guten Nichts-Tun heraus unser Alltagswerk. Dann liegt das Paradies nicht hinter uns, sondern vor uns und manchmal mitten in uns, dürfen wir Spatzen und Lilien auf dem Felde sein. Inge Kirsner, ev. Hochschulpfarrerin in Ludwigsburg