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Andacht- und Predigt Archiv

Zum Sonntag: Großartige Kleinigkeiten

Veröffentlicht am Sa, 19.10.2013
von Horst Buchholz
Personalleiter, Ev. Kirchenpflege Ludwigsburg -

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einem im Rückblick ganz groß werden.

Ich hatte an jenem Tag einen langen, anstrengenden Arbeitstag gehabt und ging zum Bahnhof in Ludwigsburg, wo ich mit dem Zug nach Hause fahren wollte.

Wie ich hinkomme, bemerke ich den Fahrgasthinweis der Bundesbahn, der uns mitteilte, dass der Zug Verspätung hatte. „Na, super“, denke ich und versuche ruhig zu bleiben.

Es ist ein heißer Tag, ich bin müde, hungrig und will eigentlich nur nach Hause.

Aber das dicke Ende sollte erst noch kommen. Irgendwann wird uns lapidar mitgeteilt, dass der Zug ausfällt. Für die Bahn sicherlich keine große Sache, aber für mich schon. „Mann, ich bin hungrig und müde und soll nun noch eine halbe Stunde sinnlos warten?“, denke ich und spüre wie mein Puls steigt und die Augen sich verengen … Ich ring mit mir - ich will das alles gar nicht an mich ranlassen. Ich will eigentlich ruhig bleiben. Aber es hilft nichts! Ich bin inzwischen ziemlich sauer.

Wütend reiße ich meine Tasche auf und hole trotzig mein Buch heraus. Ein Buch lesen? Ich? In dieser Situation? Da bin ich mal gespannt…  Aber ich merke, dass es viel zu sehr in mir brodelt, als dass ich das wirklich schaffen könnte.

Und dann passiert etwas Bemerkenswertes: Eine Frau, die ein paar Meter entfernt von mir gestanden hatte, tritt an mich heran. Wahrscheinlich hat sie mich beobachtet und gesehen, was in mir vor sich geht. „Das ist ja ein interessantes Cover auf dem Buch, was Sie da lesen“ spricht sie mich an. Ganz gelassen ist sie. Als ob sie das mit der Verspätung gar nicht mitbekommen hat.

Ich brauche einen Moment, um mich zu sammeln, bevor ich reagieren kann. Obwohl ich noch Sekunden zuvor stinksauer gewesen war, ist das alles mit der Frage der Frau plötzlich wie weggeblasen. Ich zeige ihr das Buch und erzähle ihr begeistert vom Inhalt.

Meine Tochter, die ziemlich schlitzohrig sein kann, hat mir letztes Wochenende erzählt, dass es ihr in der Schule immer wieder gelingt, „Muffige Menschen mit freundlichen Worten und Gesten zu verwirren.“
Genau das hat die Frau bei mir im Bahnhof auch erreicht: sie hat mich mit ihrer unbekümmerten, freundlichen Frage derart aus dem Konzept gebracht, dass mir gar nichts Anderes übrig blieb, als die Wut zu vergessen und mich nett mit ihr zu unterhalten.

Ähnliches ist auch Anliegen des Wochenspruches:  „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Römer 12, 21.

„Böses mit Gutem neutralisieren.“ Es ist wirklich nicht so schwer, wie es sich anhört. Eine Kleinigkeit kann wirklich Großes bewirken. Ein einfaches Wort, kann eine riesige Hilfe sein. Eine kleine Tat kann ein Wunder bewirken. Bei uns und bei anderen. 

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