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Zum Sonntag: Gönne dich dir selbst

Veröffentlicht am Sa, 21.05.2016

Stress – ein Phänomen der Neuzeit? Sicherlich. Doch Druck und Belastungen kannten wohl die Menschen aller Zeiten. Die folgenden Zeilen sind rund 900 Jahren alt sind. Dem Hl. Bernhard von Clairvaux (1090-1153), Mitbegründer des Zisterzienserordens, werden sie zugeschrieben. Abt Bernhard schrieb wohl an seinen früheren Mönch und Schüler, nachdem dieser Papst Eugen III. geworden war:„Wo soll ich anfangen? Am besten bei Deinen zahlreichen Beschäftigungen, denn ihretwegen habe ich am meisten Mitleid mit Dir: Ich fürchte, dass Du, eingekeilt in Deine zahlreichen Beschäftigungen, keinen Ausweg mehr siehst und deshalb Deine Stirn verhärtest; dass Du Dich nach und nach des Gespürs für einen durchaus richtigen und heilsamen Schmerz entledigst.Es ist viel klüger, Du entziehst Dich von Zeit zu Zeit Deinen Beschäftigungen, als dass sie Dich ziehen und Dich nach und nach an einen Punkt führen, an dem Du nicht landen willst. Du fragst, an welchen Punkt? An den Punkt, wo das Herz hart wird. Frage nicht weiter, was damit gemeint sei; wenn Du jetzt nicht erschrickst, ist Dein Herz schon so weit.Wenn Du Dein ganzes Leben und Erleben völlig ins Tätigsein verlegst und keinen Raum mehr für Besinnung vorsiehst, soll ich Dich da loben? Darin lob ich Dich nicht. Ich glaube, niemand wird Dich loben, der das Wort Salomons kennt: ‘Wer seine Tätigkeit einschränkt, erlangt Weisheit’ (Sir 38,25).Wenn Du ganz und gar für alle da sein willst, nach dem Beispiel dessen, der allen alles geworden ist (1 Kor 9,22) lobe ich Deine Menschlichkeit - aber nur, wenn sie voll und echt ist. Wie kannst Du aber voll und echt Mensch sein, wenn Du Dich selbst verloren hast? Auch Du bist ein Mensch. Damit Deine Menschlichkeit allumfassend und vollkommen sein kann, musst Du also nicht nur für alle anderen, sondern auch für Dich selbst ein aufmerksames Herz haben. Denn was würde es Dir sonst nützen, wenn Du - nach dem Wort des Herrn (Mt 16,26) - alle gewonnen, aber als einzigen Dich selbst verlieren würdest? Wenn also alle Menschen ein Recht auf Dich haben, dann sei auch Du selbst Mensch, der ein Recht auf sich selbst hat.Ja, wer mit sich selbst schlecht umgeht, wem kann der gut sein? Denk also daran: Gönne Dich Dir selbst. Sei wie für alle anderen auch für Dich selbst da, oder jedenfalls sei es nach allen anderen.“

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