Zum Sonntag: Drei Schwestern und ein Rock

Veröffentlicht am Sa, 18.11.2017
von Martin Mohns
Pfarrer, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Pfarramt Thomaskirche

Neulich in der S-Bahn. Im Abteil neben mir sitzen zwei alte Frauen. Sie sind Diakonissen, das sieht man an den Hauben auf ihren Köpfen. Eine Station später steigt eine junge Frau ein und setzt sich den beiden Damen gegenüber. Sie ist Muslima, das sieht man an ihrem Kopftuch.

Eine der Schwestern beäugt die junge Muslima. Ihr Blick bleibt auf ihrem Rock haften und sie sagt: »Das ist aber ein schöner Rock.« Und ehe man sich versieht, sind die drei in einer angeregten Unterhaltung. Es geht um Alter, um Herkunft, um die Zeit des zweiten Weltkriegs und – natürlich auch um den Rock. Wie schön er ist, wie toll sich das Material anfühlt, wie »gschickd« er ist.

Das Gespräch dauert etwa zehn Minuten, dann trennen sich die Wege der Damen. Währenddessen und auch danach merke ich, wie ich darüber schmunzeln muss. Innerlich und äußerlich. Ich denke über die Schönheit dieser Szene nach, die sich gerade vor meinen Augen abgespielt hat. Drei Frauen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Religion und Kultur. Die trotzdem so einmütig dasitzen und miteinander sprechen als könnten sie Schwestern sein. Und das sind sie in gewisser Weise ja auch. Glaubensschwestern, wenn auch unterschiedlichen Glaubens.

In Zeiten, in denen manche lieber auf Abgrenzung als auf Gemeinsamkeiten setzen wollen, vermittelt mir diese kleine Begebenheit eine große Hoffnung. Eine Hoffnung, die mich an die Zusage meines Gottes erinnert, dass er auf uns zugeht, so unterschiedlich wir auch sein mögen. Und dass er es ist, der Gemeinschaft in aller Unterschiedlichkeit schaffen kann. Nehmen wir uns ein Beispiel daran. Manchmal beginnt die Gemeinsamkeit schon bei einem unscheinbaren Rock.