Zum Sonntag: Die schönste Nebensache

Veröffentlicht am Sa, 14.07.2018
von Christian Lehmann, Pfarrer in Walheim

Ich gebe zu: Nachdem enttäuschenden WM-Aus der deutschen Fußball-Nationalelf war Fußball kurzzeitig nicht die schönste, sondern eher die schrecklichste Nebensache der Welt. Aber einmal abgesehen davon, dass hilflos zu verlieren nie schön ist, bleibt es dabei: Fußball ist die schönste Nebensache der Welt! Nebensache deshalb, weil es letztlich um nichts geht. Denn mal ehrlich: Welchen Unterschied macht es in Ihrem Leben, wer die WM gewinnt? Wird irgendjemand durch irgendein Spielergebnis ein anderer oder gar ein besserer Mensch? Wohl kaum.

Da könnte sich doch einmal die Frage stellen: Warum begeistern und ereifern sich hunderte Millionen von Menschen ausgerechnet für eine Nebensache? Warum weinen Menschen mehr um ein verlorenes Spiel als um ein verlorenes Leben? Warum jubeln Massen lauter, wenn das Runde ins Eckige rollt, als über so etwas Geniales wie die Güte Gottes? Kann es sein, dass wir die Nebensachen dieses Lebens so aufblasen, um uns von den Hauptsachen abzulenken? Manchmal habe ich jedenfalls den Eindruck, dass Menschen und Medien lieber ausführlich über spielentscheidende Kleinigkeiten diskutieren, als um lebensentscheidende Glaubensfragen zu ringen: Was gibt meinem Leben tiefen, dauerhaften Sinn? Wie kann ich ein wahrhaft guter Mensch sein? Wie werde ich Schuld los? Und: Was könnte Gott, wenn es ihn gibt, damit zu tun haben?

Doch vielleicht war und ist diese Fußball-WM mehr als nur Ablenkung. Vielleicht schürt sie auch die Hoffnung darauf, dass es etwas Wichtigeres gibt, als ein Spiel zu gewinnen, und dass Menschen aus unterschiedlichsten Nationen friedlich neben- oder sogar miteinander feiern, singen, weinen, jubeln und tanzen können. Das wäre dann wiederum mehr als nur Nebensache!