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Zum Sonntag: Die Armut kehrt zurück

Veröffentlicht am Sa, 01.12.2012

„Vielleicht wird es vor Weihnachten besser…“ ruft er mir noch hinterher, als ich sein Zimmer verlasse. Herr Becker (Name geändert) ist Patient in der Klinik. Gesundheitlich geht es langsam aufwärts. Nur: „Wie kriege ich meine Familie ernährt?“ Vor einem Jahr hat er seinen Job verloren. Seitdem arbeitet er als Leiharbeiter. „Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig“, meint er. Das Gehalt reicht gerade für die Miete und das Allernötigste. An Altersvorsorge nicht zu denken.Herr Becker geht inzwischen regelmäßig bei der Tafel vorbei. „Dass ich da mal drauf angewiesen bin, hätt ich nicht gedacht…“
Die Tafeln gehören zu den am schnellsten wachsenden Bürgerbewegungen in Deutschland mit mehr als 40 000 Ehrenamtlichen. Auch in Ludwigsburg gibt es bereits drei Läden. Für Menschen, die sich einen normalen Einkauf im Supermarkt nicht leisten können. Ein Glück, dass sich so viele hier einbringen, wo Not am Mann/Frau ist. Gut, dass die Kirche und andere hier Flagge zeigen.
Aber wie kann es sein, dass so viele Menschen in unserem reichen Land auf die Tafeln angewiesen sind? Dass Menschen bei uns, ob sie arbeiten oder nicht, das Geld nicht mehr reicht? Dass so viele für Sachen oder billige Lebensmittel, die sonst nirgendwo mehr verkauft werden können, anstehen müssen? Eineinhalb Millionen Menschen! Das ist längst keine Randgruppe mehr! Da ist - ganz unscheinbar und oft mit viel Scham behaftet - die Armut zurück gekehrt.
„Vielleicht wird es vor Weihnachten besser…“ hofft Herr Becker. Im Advent wird uns die Geburt eines kleinen, schwachen Kindes angekündigt, das Gott erwählt hat. Stellvertretend für die vielen Armen, am Rande Stehenden, für die Jesus später Partei ergriffen hat. Für ihn ist Glaube keine Privatsache, sondern er stellt mit seinem Handeln uns alle in die Verantwortung, solidarisch zu handeln – mit Hilfe von Tafeln oder mit dem Eröffnen neuer Lebensmöglichkeiten. Etwa durch das Anbieten eines ordentlich bezahlten Arbeitsplatzes.Siegfried Fischer,
Pfarrer am Klinikum und Aids-Seelsorger

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