Sie sind hier: Gemeindebrief > A - Z > Predigt + Andacht - Archiv

Andacht- und Predigt Archiv

Wer ist meine Mutter?

Veröffentlicht am Fr, 23.05.2014
von Franz Nagler
Pfarrer / Kath. Kirche, Kath. Kirchengemeinde St. Martinus Kornwestheim

So fragte Jesus als er von seiner Familie abgeholt werden sollte, denn sie glaubten er hätte den Verstand verloren (Mk 3,20f.31-35). Konfrontiert mit diesem Ansinnen, blickte Jesus, - fast könnte man annehmen, dass er dabei jeden Einzelnen anschaute, die Leute um sich herum an und sagte: „Das hier sind meine Mutter, meine Schwestern und Brüder. Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder, Schwester und Mutter.“
Wir sind am Ende des Monates Mai, des Monates in dem besonders Maria, dieser von Jesus hier so hart angegangen Frau, gedacht wird. Die Härte der Antwort lässt nach den Hintergründen fragen. In Europa wurde das Erinnern an Maria ins Beschauliche, manchmal auch Rührselige gezogen. Es wäre ja auch für unsere Breitengrade zu hart gewesen, das Lied der Maria ernsthaft zu singen, dass Gott die Mächtigen vom Thron stürzt und die Reichen leer wegschickt. Natürlich wird dieses Lied weltweit mit Begeisterung von den Armgemachten und Wegrationalisierten gesungen. Dabei vergessen sie nicht, weil dies ihre eigene Erfahrung  ist, dass Maria dieses ihr persönlichstes Lied erst singen konnte, nachdem sie selbst begriff, wer die Familie Jesu ist. Sie begriff, vielleicht sogar zunächst schmerzhaft, dass der in ein familiäres Nahverhältnis zu Jesus kommt, der den Willen Gottes für das Leben auf der Erde erfüllt, dass Jesus ihr eigner Sohn diese so wertschätzt, dass er sie seine Schwestern, Brüder, sogar seine Mutter nennt. Maria scheint dies zutiefst verinnerlicht zu haben, denn einige Male wird von ihr berichtet, dass sie all diese Geschehnisse in ihrem Herzen bewahrte. Als die Hirten Maria von ihrer Kenntnis der Bedeutung Jesu erzählten, da bewahrte Maria all das in ihrem Herzen (Lk 1,19). Als Jesus seinen Eltern, die ihn suchten und im Tempel fanden, eröffnete, dass er in dem sein musste, was seinem  Vater gehört, da bewahrte Maria all dies in ihrem Herzen (Lk 1,51). Es scheint, dass Maria ihre Lektion gelernt hatte und in einer meditativen Weise die Worte Jesu sich aneignete und damit in ein neues familiäres Verhältnis zu Jesus kam. Es erstaunt dann nicht mehr, dass wir Maria im Obergemach mit den Aposteln, mit Jesu Geschwister, Verwandten und anderen an Pfingsten wiederfinden, an der Keimzelle der werdenden Kirche. Erinnerung,  Gedenken verhindern, dass Personen, wesentliche Haltungen in Vergessenheit geraten. Das Erinnern an Maria in diesem Monat Mai ist letztlich ein sehr gesellschaftskritischen Geschehen, den diese Frau zeigte auf, dass er Gott die Mächtigen von ihren selbstgebastelten Thronen stürzt und die Reichen von sich wegschickt.

Zur Übersicht

Die wöchentlichen Andachten
evangelischer bzw. ökume-
nischer Autorinnen und Autoren (Angedacht KWZ
und Zum Sonntag, LKZ)
werden zeitnah in diesem
Archiv erfasst.