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Andacht- und Predigt Archiv

Vom Werten und Bewerten

Veröffentlicht am Do, 30.07.2015
von Ulrich Theophil
Pfarrer, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Pfarramt Johanneskirche
Pfarrer, Evang. Kirchenbezirk LB - Bezirksämter -

Am Mittwoch haben viele junge Menschen ihr Zeugnis erhalten.  Es war sicher sehr spannend für die Schülerinnen und Schüler, wie es wohl ausfallen wird und ich kann mir vorstellen, wie hohe Zufriedenheit und Einsicht sich abwechselten mit Enttäuschung und Ärger. Auf eine Ziffer wurde gebracht, was sie in einem Schuljahr  geleistet haben.  Wie werden wohl die Eltern darauf reagieren? Es bleibt die große Frage nach der Gerechtigkeit. Es bleibt die Frage, ob ich mich selbst darin widergespiegelt sehe.  An die Bewertungssysteme in unserer Leistungsgesellschaft haben wir uns gewöhnt. Die Schule ist da nur prägender Vorreiter. Sehr vieles wird in unserem Leben bewertet und beurteilt. In unserer beruflichen Arbeit müssen wir Rede und Antwort stehen über unser vollbrachtes Werk, aber auch für die vielen unerledigten Dinge.  Unser Tun und Lassen wird wahrgenommen und bewertet, beruflich genauso wie privat. Wir werden beurteilt und eingestuft.  Und machen wir etwas falsch zu Hause, in der Schule oder im Betrieb, dann fallen die Kommentare dementsprechend schnell sehr abwertend aus. Ohne klare Bewertungsmaßstäbe würde vieles in unserer Gesellschaft jedoch nicht gelingen. Wir brauchen sie auch dringend um der Vergleichbarkeit willen.  Noten und Bewertungen sind Instrumente der Steuerung, der Klarheit und der Entscheidung.  Von daher haben Noten ihre Existenzberechtigung.  Aber bewusst darf uns sein: die Noten machen etwas mit uns. Ich erlebe kaum einen Menschen, dem seine Bewertung gleichgültig ist. Die Noten haben Auswirkungen auf unser Selbstwertgefühl, sie stärken oder schwächen unser Selbstbewusstsein.  Sie befähigen uns, sie motivieren uns, aber sie demotivieren auch und wir verlieren unser Zutrauen in unser Können. Große Abschlusszeugnisse haben sogar eine sehr starke Auswirkung auf unseren beruflichen Werdegang.  An den Noten und Bewertungen wird sehr vieles festgemacht. Vielleicht sogar zu viel. Denn in Noten und Zeugnissen werden vor allem Leistungsvermögen und Intellekt beurteilt. Doch unser Mensch-sein, das kann in Noten nicht ausgedrückt werden.  
In den Bewertungen im Leben wertschätzend und achtsam miteinander umgehen, das würde unserer Leistungsgesellschaft gut tun. Das würde auch Eltern gut zu Gesichte stehen im Umgang mit ihren von der Schule bewerteten Kindern. Unser Leben umfasst weit mehr als Noten es ausdrücken können. Von daher:  gehen wir gnädig miteinander um in unserem ständigen Bewerten.  Vor Gott hat der Mensch seinen Wert in sich. Gott sei Dank.

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