Verspielt im Leben

Veröffentlicht am Fr, 29.06.2018
von Ulrich Theophil
Pfarrer, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Pfarramt Johanneskirche
Pfarrer, Evang. Kirchenbezirk LB - Bezirksämter -

Die Augen erblickten erschrocken das Unausweichliche, die Zunge war in ständiger Bewegung. Der Bundestrainer spürte deutlich, dass nichts mehr zu retten war nach dem ersten Gegentor. Verspielt war die Chance weiterzukommen. Verspielt ist die Chance auf ein weiteres deutsches Sommermärchen. Die Emotionen sind in sich zusammengesunken. Verspielt sind auch das Selbstvertrauen und das Selbstbewusstsein der deutschen Nationalelf. Es knackt und zerrt an der deutschen Fußballseele. Ich glaube, keiner hat sich vorstellen können, dass die russische WM aus deutscher Sicht so verlaufen würde. Eines ist allen deutlich geworden: In der Fußball-Elite ist die Luft sehr dünn. Sehr eng liegen Sieg und Niederlage nebeneinander.
Ich habe großen Respekt vor den ehrlichen Aussagen von Trainer und Spieler, dass sie verdient nach Hause fahren. Klare Anerkennung und Einordnung der eigenen schwachen Leistung, da wird nichts beschönigt oder gar Schuld auf Andere geladen. Es ist eine bittere Lektion mit der Erfahrung umzugehen, es gibt keine Sieggarantie, in keinem Spiel. Und natürlich schmerzt es besonders, wenn die Fallhöhe eben sehr hoch ist. 
Das Verspielen geschieht, wenn man manches im Leben zu leichtfertig nimmt, und auch, wenn man zu sehr überzeugt von sich ist. Verspielen passiert, wenn der Gegner zu stark oder zu geschickt ist. Im Leben sich zu verspielen, diese Erfahrung bleibt nicht aus. Das Entscheidende ist, wie wir damit umgehen. Hoffentlich nicht verkrampft und verbissen, hoffentlich nicht tief betrübt und gelähmt. 
Jedes Spiel, auch ein verlorenes, lebt von der Leichtigkeit. Meine Erfahrung ist, dass mit einer entspannten Leichtigkeit viel zu gewinnen ist.
Jedes Spiel braucht diese unbeschwerte Leichtigkeit, damit es seinen Zauber entfaltet. Mit dieser Leichtigkeit geht auch eine gewisse Verspieltheit daher. Verspieltheit im ganz positiven Sinne: da kann sich einer verlieren, ohne sich selbst aufzugeben. Das wird eine schwere Aufgabe sein für Joachim Löw, für die Mannschaft, aber auch für alle enttäuschten Fans. Verspielt mit dem verlorenen Spiel umzugehen. Wir dürfen gespannt sein, was das mit uns macht.

Und eines sollten wir entspannt wissen: Sich verspielen im Spiel, daran ist wahrlich nichts Schlimmes, viel schlimmer wäre es, wenn wir in unserem Leben Beziehungen verspielen.