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Andacht- und Predigt Archiv

Stille - - - - Schweigen

Veröffentlicht am Sa, 28.10.2017
von Bettina Zehner
Diakonin, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Diakonat -

 Es gab viele Informationen, Austausch, Gespräche, aber eine Geschichte ist mir als besonderes eindrücklich hängen geblieben:
Die Kirche eines Nonnenklosters sollte umgebaut werden. Die Nonnen überlegten, wie dieser Umbau von statten gehen sollte und vor allem, wo ihr Platz in der umgebauten Kirche sein sollte. Bisher saßen sie im Chorgestühl hinter dem Lettner, einer hölzernen Absperrung, die sie von den Laien trennte.
Die Nonnen diskutierten eifrig und engagiert und kamen zu keiner Lösung. Schließlich beschlossen sie in eine einwöchige Klausur zu gehen und in dieser Zeit zu schweigen.
Nach einer Woche entschieden sie einstimmig, sich in den Kirchenraum unter die Laien zu setzen.
Warum hat mich gerade diese kurze Erzählung so angesprochen? Entscheidungsfindung durch Schweigen? Weil sie so „weltfremd“ ist?
Dann versuche ich mir vorzustellen, was die Nonnen in dieser Zeit der Stille wohl gemacht haben?
Haben sie noch einmal alle ihre Argumente durchdacht und darüber „gehirnt“, wie sie die anderen besser überzeugen könnten? Haben sie sich neue Diskussionsstrategien zurechtgelegt? Ihre Argumente überprüft und verbessert?
Bestimmt auch – wahrscheinlich am Anfang. Aber ich glaube, sie haben die Zeit auch anders genutzt – sonst wären sie nicht auf dieses Ergebnis gekommen.
Ich stelle mir vor, dass sie in der Zeit der Stille immer ruhiger geworden sind. Und dass dadurch ihr Kopf und ihr Herz freier geworden sind. Schließlich waren sie ja nicht mehr mit Denken, Argumentieren und Überzeugen gleichzeitig beschäftigt. Vielleicht haben sie die Zeit der Stille genutzt, um zu hören – in sich hineinzuhören. Zu hören, was jetzt wirklich wichtig ist. Vielleicht haben sie bemerkt, dass es gar nicht so sehr darum geht, die eigenen Vorstellungen durch zusetzten, sondern um etwas ganz anderes.
Entscheidungsfindung durch Schweigen – interessanter Ansatz – aber ist er auch alltagstauglich?
Ich versuche mir vorzustellen, dass in den gerade stattfindenden Koalitionsverhandlungen nicht die ganze Nacht durchgeredet wird und morgens nicht völlig übernächtigte und ausgelaugte Menschen vor die Mikrophone treten. Alle Teilnehmenden gehen stattdessen in eine Schweigeklausur.
Ich versuche mir vorzustellen, dass ich selbst bei verfahrenen Diskussionen nicht einfach weiter diskutiere, mein Gegenüber nicht mit immer neuen Argumenten bombardiere, sondern in einer Zeit der Stille das Gesagte und Gehörte überdenke.
Schweigen ist nicht leicht. Wer redet führt das Wort, erfährt sich als maßgebend. Schweigen kann als Schwäche ausgelegt werden.
Aber Schweigen und Stille können heilsam sein - gerade in unserer lauten und beredsamen Welt - nicht nur für Nonnen.

Diakonin Bettina Zehner

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