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Andacht- und Predigt Archiv

Passt der Mensch noch zur Welt?

Veröffentlicht am Fr, 05.07.2013
von Franz Nagler
Pfarrer / Kath. Kirche, Kath. Kirchengemeinde St. Martinus Kornwestheim

Auch zwei Wochen nach dem ökumenischen Ortskirchentag darf dieses Motto noch nachhallen. In der Woche des Ortskirchentages wurden ja  verschiedenen kirchlichen und politischen Themen des Lebens Raum gegeben, der Arbeitswelt, einer ganzheitlich- integrativen Gesellschaft, der Musik, der Kultur, der Religion, den Kindern, den Jugendlichen, den Senioren, dem Gott des Lebens. Eine Grundfrage unserer Gesellschaft heute ist: Passt der Mensch noch zu der Welt, die er sich geschaffen hat? Die alten Schöpfungsmythen erzählten noch, dass Gott, wie immer er auch genannt und gerufen wurde, die Welt und die Lebewesen geschaffen hätte und wie jedes Lebewesen darin seinen Platz finden sollte und dazu auch die Fähigkeit besaß. Dem Menschen wurde ein besonderer Lebensraum als Abbild Gottes zur Verfügung gestellt. In unserem Jahrhundert jedoch hat nicht mehr Gott die Welt geschaffen, sondern wir haben uns eine Welt, Umwelt geschaffen, die unser Leben immer mehr bestimmt und plötzlich merken wir, dass wir nicht mehr zu dieser Welt passen. Die Kommunikationsmittel, die Verkehrsmittel, die Finanzströme, das Internet, die IPods usw., das sind alles Phänomene, die unsere Welt bestimmen, schneller  hektischer machen und letztlich uns beherrschen. Sie haben eine Art zu leben, einen Wertewandle herbeigeführt, innerhalb dessen, der Mensch zum Getriebenen wurde.  Natürlich wurde das alles geschaffen, um Leben zu erleichtern, zu vernetzen, aber letztlich muss man von einem großen Missverständnis, einem große Denkfehler reden. Leben wir denn besser, wenn wir mehr Zeit im Dialog mit der Technik verbringen als mit anderen Menschen oder der Natur? Leben wir denn besser, wenn die Welt mit Straßen zubetoniert wird und wir zur Erholung oder zu Bewunderung in Naturparks fahren müssen? Vielen gelingt das Leben nicht mehr, weil sie sich letztlich den Maschinen angepasst haben, ganz zu schweigen von Born-out oder Bore-out Syndromen. Die Finanz-, die Arbeits-, die Informationsgesellschaft geben den Ton, den Rhythmus an. Die Menschheit insgesamt, selbst im fernen Bangladesch, muss sich diesem Zeitdiktat anpassen.
Das Motto des Ortskirchentages: „Um Gottes Willen! Dem Leben Raum geben“ berührt vielleicht die wundeste Stelle unseres Systems. Dabei geht es nicht nur oder gar abgetrennt, um den zweiten Teil dieses Mottos: „Dem Leben Raum geben“, z.B. durch größere Achtsamkeit, durch Umweltbewusstsein, durch alternative Lebensstile, durch fairen Handel usw. Es geht auch und vor allem um den „ Willen Gottes“, derart, dass wir uns nicht mehr gezwungenermaßen eingestehen müssen, dass der Mensch heute nicht mehr zu der Welt passt, die er sich groteskerweise geschaffen hat, sondern uns wieder ehrlich eingestehen können, dass,  bevor wir etwas geschaffen hatten, uns eine geschaffen Welt zu Verfügung stand. Nicht umsonst ist in der jüdisch-christlichen Tradition der Sabbat, der Sonntag der Tag, an dem der Mensch eingeladen ist, sich seines „Verdanktseins“ zu erinnern und dieses so zu feiern, dass er wieder in der vorhandenen Welt leben, nicht nur leben, sondern „gut leben“ kann, wie es in einigen Staaten Südamerikas sogar in die Verfassung aufgenommen wurde.

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