Ora et labora

Veröffentlicht am Fr, 13.09.2019
von Frank-Michael Steichele, Leiter der neuapostolischen Kirchengemeinde Kornwestheim

Unseren diesjährigen Sommerurlaub verbrachten wir in Irland, auf der grünen Insel. Mit viel Wind, mit viel Regen und mit vielen Schafen. Auf der Agenda stand u.a. die Besichtigung Kylemore Abbeys, eines Klosters, dessen Gründung im belgischen Ypern bis auf das 17. Jahrhundert zurückreicht. Zum Kloster gehört auch ein beeindruckendes Schloss, welches sehr aufwändig restauriert wurde. Die Benediktinerinnen der Abtei haben den lateinischen Wahlspruch "Ora et labora" – bete und arbeite, und sie tragen ihn nicht nur in ihrem Wappen, sondern sie haben ihn sich auch zu eigen gemacht: Die geschäftstüchtigen Nonnen produzieren hochwertige Töpfereiwaren, edle Schokoladen und Seife- und Pflegeprodukte aus dem Kräutergarten des Klosters. Diese Waren werden im eigenen Laden und auch über das Internet verkauft.

Dieser Wahlspruch der Ordensschwestern hat mich zum Nachdenken angeregt. Wie oft ist man im privaten oder geschäftlichen Umfeld dazu geneigt, ausschließlich auf eigene Fähigkeiten und Begabungen zu setzen? Man vertraut auf Gelerntes und setzt auf die Lebenserfahrung. Man klopft sich auf die Schulter, wenn etwas gut gelungen ist, und schreibt sich ein gutes Ergebnis selbst zu. Dabei vergessen wir gerne, dass wir nach christlichem Glauben Begabungen und Fähigkeiten von Gott erhalten haben. In diesem Zusammenhang erscheint der Grundsatz „bete und arbeite“ in einem anderen Licht. Ein einfaches Bild verdeutlicht diese Devise: Ein Ruderboot hat zwei Ruder. Auf dem einen Ruder steht "Gebet", und auf dem anderen Ruder steht "Arbeit". Nur bei gleichzeitigem Betätigen beider Ruder geht es vorwärts. Es wäre also falsch, wenn man zur Erledigung einer wichtigen Tätigkeit lediglich betete. Der normale Menschenverstand reicht aus, um zu verstehen, dass dies nicht ausreicht. Anders herum hat man weniger Probleme, sich das vorzustellen. Eigentlich schade! Beide Ruder zu betätigen, zu beten und zu arbeiten, kann uns bereichern. Davon bin ich überzeugt.