Nachdenklich werden

Veröffentlicht am Fr, 14.08.2015

Eine einsame Schutzhütte im Wald, bestehend aus den Mauern eines alten verlassenen Bauernhauses und einem Wellblechdach. Wir sind zu zweit, zwei Frauen im Wald. Gerade am Diskutieren: Schaffen wir es, ein Feuer zu entzünden? Plötzlich steht er da - ein Mann mittleren Alters mit einem großen Rucksack auf dem Rücken, die Arme tätowiert. Auch ein Wanderer. Er ist nicht übermäßig groß, eher sehnig als kräftig. Wir sind zu zweit, gemeinsam könnten wir stärker sein als er. Solche Gedanken gehen einem durch den Kopf, wenn man allein im Wald ist.

Der Mann mustert uns nachdenklich und grüßt dann. Die vorderen Zähne fehlen. Ob er wohl im Gefängnis saß? Er macht sich daran, Feuer zu entzünden, wir sammeln Brennholz. Unsicher, was der Abend wohl bringt. Die Schutzhütte hat Platz genug. Bald brennt ein Feuer. Unser Essen besteht aus Käse und Brot, der Aufenthalt hier im Wald war nicht geplant. Der Mann ist gut ausgerüstet mit hochwertiger Wandernahrung. Ganz selbstverständlich teilt er mit uns. Nach dem Essen gibt es Kaffee mit Schuss. Nach einem langen Wandertag am Feuer sitzen und es sich gut gehen lassen. Das mulmige Gefühl ist verschwunden.

Der Mann erzählt aus seinem Leben, er ist Sozialarbeiter und arbeitet mit autistischen Menschen. Einer davon hatte einen guten Schwung. Die Zahnprothese lässt er beim Wandern zu Hause. Wir sind zu zweit - und sehr nachdenklich.

Ein Mensch sieht was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16,7)