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Andacht- und Predigt Archiv

Keine Frage der Form

Veröffentlicht am Fr, 07.07.2017

Nachdem der Unterschied zwischen Geistlichen und allen anderen Gläubigen aufgehoben wurde, verließen in der Folge und auf Luthers Dafürhalten hin viele Nonnen und Mönche ihre Klöster und damit auch ihren ehelosen Stand und heirateten. Nun durften plötzlich alle heiraten.  Ordensleute die sich daran hielten wurden dafür nicht selten beschimpft, verfemt, gemieden, manchmal gehasst. Dennoch, viele taten es, nicht zuletzt Luther selbst und Katharina von Bora, beide ja ursprünglich Ordensleute: Ein Wandel im gesellschaftlichen Ethos, also dem, was eine Gesellschaft für sich für wichtig und richtig und angemessen erachtet, war eingetreten und setzte sich in der Folgezeit, zumindest in den ev. geprägten Gebieten durch.
Glücklicherweise, denn später saßen viele am Familientisch der Luthers und ihrer Kinder. Es wurde intensiv diskutiert, Bibel gelesen, wichtige theologische und gesellschaftliche Gedanken nahmen von hier ihren Ausgang, aber es wurde auch gegessen und gefeiert und so manch deftiger Ausspruch ist auch überliefert.
Als diese Woche, nach vielen Jahrzehnten der Diskussion und der Auseinandersetzung in unserer Gesellschaft, der Deutsche Bundestag sich für die Ehe für alle, also auch für Schwule und Lesben aussprach, wurde wieder so eine Weitung und ein Wandel im Ethos unserer Gesellschaft vollzogen. Er hat sich lange angebahnt, sonst wäre es nicht so ausgegangen, und wird sicher von den meisten problemlos mitgetragen, bzw. für notwendig gehalten um diese Art Ungleichbehandlung und Unrecht zu beenden.
Die Schlussszene der amerikanischen Fernsehserie „ Six feet under“ kam mir in den Sinn: Die Serie erzählt die Aufs-und Abs einer amerikanischen Bestatterfamilie, viele Sinn- und Lebensthemen tauchen auf  und am Schluss, sitzt der jüngste Sohn der Familie mit seinem Mann und den beiden adoptierten Kindern am Familientisch, es ist Abendessenszeit, es wird angeregt gesprochen, Schüsseln werden gereicht, man tut sich gegenseitig auf, eine sehr liebevolle und normale Stimmung liegt über dem Geschehen  und man ahnt, die Familientradition wird bestand haben.
Martin Luther hat die Ehe als ein „weltlich Ding“ beschrieben, an ihr hängt also nicht unser Heil, sie ist eine gesellschaftliche Gepflogenheit, Teil dessen, was eine Gesellschaft für angemessen hält, also zugleich etwas, das, solange eine Gesellschaft lebendig ist, auch immer wieder neu ausgehandelt wird: König Salomon hatte noch eine Vielzahl von Frauen, Jesus und Paulus bevorzugten die Ehelosigkeit: die Ehe ist Teil des gesellschaftlichen Ethos‘.
Zugleich war Luther bewusst, wie gefährdet, das menschliche Zusammenleben ist, weshalb es der Seelsorge und Fürsorge des Umfeldes, der Freunde, der Familien, der Gemeinde bedarf und des Segens Gottes. Und Luther hatte eine Hochschätzung für die Ehe, denn in ihr, wie in allen Formen unseres Zusammenseins, vollzieht sich unser Leben und das dazugehörige Sinnverständnis, unser Glaube. In ihr Leben wir unsere Werte als soziale, sich nach Liebe und Sinn sehnende Menschen, mit all unseren Eigenheiten und Verletzlichkeiten. Das ist keine Frage der Form, sondern des Inhaltes. Insofern bin ich gespannt welche Impulse von den neuen Ehe- und Familientischen in unserem Land ausgehen. Ich wünsche Segen dazu.

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