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Ich gehe wählen

Veröffentlicht am Fr, 20.09.2013

Ich gehe am Sonntag wählen. Dass ich wählen darf und so indirekt Einfluss nehmen darf auf das, was Politiker entscheiden, anstoßen, tun oder bleiben lassen, das ist für mich mehr als Grund genug wählen zu gehen. Trotzdem fällt mir der Gang zur Wahlkabine nicht leicht. Es gibt keine Partei, deren Programm meinen Vorstellungen einigermaßen entspricht. Das eine finde ich da, das andere dort. Entscheide ich mich für das eine, entscheide ich mich gegen das andere, welches mir auch wichtig wäre. In anderen Dingen sind die Parteien mit ihren Programmen so austauschbar, dass es keinen Unterschied macht, ob ich mein Kreuzchen weiter oben oder weiter unten auf dem Wahlzettel mache.Trotzdem würde ich nicht sagen: „Ich wähle eben das kleinere Übel.“ Eher entsprich es meinem Denken, dass die einen meine Interessen oder Vorstellungen besser wiedergeben, die anderen weniger gut. Aber ich muss mich auf einen Kompromiss einlassen. Ein Kompromiss zwischen dem Wünschenswerten und dem Möglichen. Kompromisse zu finden ist auch die Aufgabe der Politiker. Warum soll es uns, den Wählern, damit besser gehen? Nach der Wahl gibt es Kompromisse bei den Koalitionsverhandlungen. Schon die Parteiprogramme sind austarierte Kompromisse zwischen den Einzelinteressen der Parteimitglieder. Geht es dann ans Regieren, wird das Wünschenswerte zusammengestutzt werden müssen, weil das Geld nicht für alle Wünsche reicht. Auch das ist, wenn man so will, ein Kompromiss.Ich gehe am Sonntag wählen, weil eine Politik ohne Kompromisse die Diktatur eines einzelnen wäre. So mühselig die politische Kompromisssuche auch ist, so sehr meine Geduld als Wähler strapaziert wird, weil ich oft den Eindruck habe: „Da bewegt sich gar nichts!“, so wichtig finde ich es doch, diese Geduld aufzubringen und im Rahmen meiner Möglichkeiten in Gesprächen, im Schul- und Konfirmandenunterricht, auch in Predigten, Themen zur Sprache zu bringen, mich anregen zu lassen über ein Problem neu nachzudenken oder andere zum Nachdenken zu veranlassen.Auch in der Kirche funktioniert Demokratie in dieser Weise. Auch in der Kirche müssen wir Kompromisse schließen zwischen verschiedenen Interessen. Etwa zwischen denen, die an der Johanneskirche in ihrer jetzigen Form hängen und denen, die sich Sorgen machen, wie weit in naher und ferner Zukunft das Geld der Kirche reichen wird. Manche finden die Kirche im Inneren und Äußeren schön, andere nicht mehr zeitgemäß. Manche können sich Gemeindearbeit im Charme der 50-iger Jahre vorstellen, andere brauchen dazu moderne Räume. Dies alles und noch viel mehr wird im Kirchengemeinderat beraten, ein demokratisches Gremium, das am 1. Dezember zur Wahl steht. Auch da gehe ich wählen.

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