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Andacht- und Predigt Archiv

Freundlich und menschlich

Veröffentlicht am Fr, 13.09.2013

Von dem kürzlich jung verstorbenen Schriftsteller Wolfgang Herrndorf wird berichtet, dass er in den letzten Jahren seiner schweren Krankheit von den immer gleichen drei Dingen geschrieben hat, die ihm, wie er selbst sagte, 'den Stecker zögen': 'Die Freundlichkeit der Welt, die Schönheit der Natur, kleine Kinder.'Etwa in seinem Roman Tschick erkunden der junge, aufgeweckte Deutschrusse Tschick und dessen Freund Maik, ein sich sehr isolierender Junge aus einem wohlhabenden Elternhaus, die Welt in einem 'geliehenen' Auto. Sie begegnen dort Menschen, die ihnen in all ihrer Skurrilität und Verschiedenheit immer wieder überraschend freundlich, ich würde sagen 'menschlich' gesonnen sind. Es geht überhaupt nicht pathetisch zu. Es ist eher so, dass uns gezeigt wird: Wer genau hinsieht, der kann viel Freundlichkeit und Menschlichkeit entdecken in dieser Welt und zwischen uns.
Und die beiden Jungs entdecken auch sich selbst: Tschick entdeckt, dass er schwul ist, sein Freund Maik, dass er doch nicht so ein Einzelgänger sein muss, wie er dachte, um durchs Leben zu kommen. Er entdeckt mit Hilfe von Tschick seine Fähigkeit zu Freundschaft und Liebe. Wer von uns Freundlichkeit und Menschlichkeit begegnet ist, der weiß, dass sie ein Segen sind, eine überwältigende Erfahrung, die einem 'den Stöpsel ziehen kann'.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat mit ihrer jüngsten Orientierungshilfe zum Thema 'Familie', wie ich finde, auch genau hingesehen und sich berühren lassen von der Vielfalt der Beziehungs- und Lebensverhältnisse, in der wir heute leben. Und entdeckt darin etwa 'Sinnstiftung, verlässliche Sorge, Stiftung von sozialem Zusammenhalt', kurz einen Lernort für Menschlichkeit, wie ich es zusammenfassen würde. Und zwar in den unterschiedlichsten 'Familien', den Mehrgenerationen-, Mehrkulturfamilien, den späten Familien, solchen mit und ohne Trauschein, schwul-lesbische Beziehungen. Entscheidend ist nicht die Form, sondern der Wille zu Verbindlichkeit und gegenseitiger Unterstützung.
Wenn also überall hier Menschlichkeit und Freundlichkeit und Segen zu finden sind, so die Anregung, warum dann nicht auch kirchlicher Segen für all diese Familien mit ihren gemeinsam Nöten? Ich fände es überwältigend, weil menschlich und freundlich.

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