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„…eigentlich sollte es bei dir gar keine Armen geben“

Veröffentlicht am Fr, 26.02.2016

Dieser Satz aus dem 5. Buch Mose treibt mich um, seitdem ich die aktuelle Armutsstudie, die dieser Tage veröffentlicht wurde, las. Von durchschnittlich rund 15% von Armut betroffener Menschen ist da für Deutschland die Rede (trotz staatlicher Rekordeinnahmen).Nun ist es so, dass Armut viele Gesichter hat, in einem reichen und sozialstaatlich geprägten Land wie Deutschland muss niemand verhungern oder verdursten.Von Amartya Sen stammt die hilfreiche Definition Armut  als Mangel an Verwirklichungschancen zu begreifen. Dazu zählen sicherlich nicht alle Menschen in vorübergehenden finanziellen Nöten, die sich daraus selbst oder mit Hilfe anderer wieder befreien können. Auch die Berliner Freunde würde ich nicht dazurechnen, die sich entschieden haben mit wenig zu leben, aber dafür mehr Zeit füreinander und für schräge Dinge und Aktionen zu haben oder die aus politischer Überzeugung schlecht bezahlten investigativen Journalismus betreiben. „Arm aber sexy“, das gibt es durchaus. Aber an materieller Armut hängen nicht selten gesundheitliche Probleme, Isolation, eine größere Verletzlichkeit, weil Probleme mit wenig(er) Reserven nur schwer gepuffert werden können, gefühlte oder reale Machtlosigkeit, auch spirituelle Armut. All dies trägt dazu bei, dass wenig Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, aber auch kaum Vertrauen in Institutionen oder staatliche Organe und überhaupt in andere Personen vorhanden ist. Selbst Träume für die eigene Bestimmung oder Berufung werden blass und weichen Hoffnungslosigkeit und Resignation.Dem armen Bruder, der armen Schwester die Hand zu öffnen, heißt in einem reichen Land deshalb sicher Verteilungsgerechtigkeit als edelste sozialstaatliche Aufgabe anzusehen. Aber ich glaube es heißt für Jede und Jeden von uns auch zu erkennen, wo ich, wo wir durch das was man sagt oder tut andere von Beteiligung und von Verwirklichungsmöglichkeiten ausgrenzt  und dann nach besseren Wegen zu suchen.Wo grenzen wir, wo grenze ich bei den Angeboten in Kirchen, Vereinen, Parteien, Gruppen, Schulen oder bei Dingen, die das Gemeinwesen betreffen, aus? Sind die Ansprüche zu hoch, ist die Aufgabenstellung zu komplex, ist die Sprache zu schwierig, sind die Voraussetzungen und Inhalte zu selbstverständlich auf eine wohlhabende Mittelschicht zugeschnitten?Denn „… eigentlich sollte es bei dir keine Armen geben“ 

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