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Andacht- und Predigt Archiv

Die Gottlosigkeit des Navi

Veröffentlicht am Fr, 19.09.2014
von Franz Nagler
Pfarrer / Kath. Kirche, Kath. Kirchengemeinde St. Martinus Kornwestheim

Inzwischen ist wieder nahezu jeder Urlauber aus demselbigen zurück. Wer mit dem Auto unterwegs war, hat sich sicher von einem Navi leiten lassen. So ein Gerät ist etwas sehr Zweckdienliches. Es verhindert, dass wir uns verfahren. Das ist etwas sehr gutes, zumal für Menschen mit einem schlechten Orientierungsvermögen. Was aber sind die versteckten Kosten dieses Fortschrittes? Wenn ein Navi die Orientierung für uns übernimmt, dann wird unsere Würdigung der Umwelt auf ein Minimum reduziert. Bestenfalls bringt uns das Navi schnell und problemlos ans Ziel. Aber die hohe Kunst des Navigierens ist uns damit aus der Hand genommen oder einfach trivialisiert. Wer dem Navi folgt, verbringt seine Zeit in Bedeutungslosigkeit. Der technische Fortschritt hat die Notwendigkeit von spezifischen Fertigkeiten, z.B. sich in einer Gegend zurecht zu finden, verringert. Ein stückweit ist dies sogar das Ziel moderner Technologie, alle Bereiche für jeden zugänglich zu machen, ungeachtet dessen, über welches Maß an Fertigkeiten er auf dem in Frage kommenden Gebiet, verfügt. Die Technologie verbessert unser Leben, indem es Schwieriges einfach macht. Genau das ist die grundlegende Maxime unserer heutigen Welt. Je mehr handwerkliches Wissen wir aber verlieren, desto mehr Wertmerkmale gehen auch verloren. Nach einem Leben zu streben, das keinerlei Kunstfertigkeiten mehr bedarf, um erfüllend zu sein, heißt aber letztlich die verflachte Welt eines Nihilismus zu begrüßen und an der eigenen Dehumanisierung teilzunehmen.
Die Lösung kann natürlich nicht darin bestehen, die hilfreiche Technik abzulehnen, sondern darin sich die anderen Seiten des Lebens nicht rauben zu lassen. Vieles im Leben läuft tatsächlich nach vernünftig geplanten Schritten ab, aber letztlich hat alles zwei oder mehrere Seiten. Ich kann dieselben Ereignisse, die ganz vernünftig abliefen, auch mit einer Haltung des Staunens und des Wunders betrachten und auf einmal erschließt sich mir die Wirklichkeit von einer ganz anderen Seite, die kein Navi erschließen kann. Gott ist in allem immer noch ein Rufender, uns Anrufender. Das Problem ist, dass wir aufgehört haben zu lauschen. Nicht Gott hat uns verlassen, sondern wir haben aufgehört nach ihm zu suchen. Für diese Suche  bedarf es allerdings des Erwerbes der Kunstfertigkeit, auf das Heilige reagieren zu können, das noch immer unbeachtet im Hintergrund der Welt und der Geschehnisse auf uns wartet. Das Navi wird uns nicht dahin führen, sehr wohl aber die Kunstfertigkeit religiös die Welt verstehen zu können.

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