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Andacht- und Predigt Archiv

Den einzelnen sehen

Veröffentlicht am Fr, 23.08.2019

Lag es an einer Rivalität der Bewohner beider Dörfer oder war tatsächlich einmal etwas vorgefallen, was die Vordertupfinger gegen die Hintertupfinger aufgebracht hatte. Das wusste kein Mensch mehr zu sagen. Jedenfalls kamen Jugendliche aus Vordertupfingen zusammen um den Hintertupfingern eine Abreibung zu verpassen und diese ordentlich zu vermöbeln.
So ist es immer wieder geschehen, natürlich sind die drei Ortsnamen frei erfunden, die erzählten Ereignisse wiederholten sich aber immer mal wieder an diesen und an anderen Orten.
Auch wenn die beiden Fußballmannschaften der Dörfer gegeneinander spielten, blieb es bisweilen nicht dabei, dass die eigene Mannschaft temperamentvoll angefeuert wurde. Vor allem, wenn in der Schlussphase eines Spieles durch unerwartete Tore der Spielverlauf scheinbar auf den Kopf gestellt wurde, war die Gefahr groß, dass sich die Fans im Anschluss gegenseitig verprügelten. Immer wieder gab es dabei auch ernsthafte Verletzungen.
Die Prügeleien wurden natürlich gerechtfertigt dadurch, dass man bisweilen von einer Untat eines einzelnen aus dem anderen Dorf berichten konnte und sagte dann: „So sind sie halt die Hintertupfinger.“
Vollends stiegen die Aggressionen, wenn es einer aus dem anderen Dorf wagte, einem Mädchen aus dem eigenen Dorf den Hof zu machen, wenn sie sich gar ineinander verliebten und als Paar zusammenkamen.
Solche und ähnliche Geschichten habe ich von älteren Menschen immer wieder gehört. Wie empfinden wir das? Denken wir: „Die hatten doch ein Rad ab?“ Verständnislos? Oder spüren wir, dass genau das heute in etwas anderer Form wieder geschieht?
Wenn ein Flüchtling straffällig wird. Wenn ein Ausländer ausfällig geworden ist. Werden deutsche Staatsbürger nicht straffällig oder ausfällig? „So sind sie“, das ist eine bewusste Lüge oder eine Selbsttäuschung geboren aus dem Hass auf das andere. Vielleicht ist es gut sich immer wieder bewusst zu machen, dass uns in jedem Fall ein einzelner Mensch begegnet, der vielleicht anders ist als ich. Diesen einzelnen Menschen zu sehen und ihn möglicherweise anzunehmen wie er ist, das gehört mit zur Nächstenliebe, wie Jesus sie verkündet hat.    
 



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