Das Vorhandene teilen

Veröffentlicht am Fr, 24.03.2017
von Sabine Hering

den sie erst am Tag vorher von ihrer Mutter geschenkt bekommen hatte: ein rosa Kugelschreiber, dessen Mine man radieren kann. Das Mädchen ist völlig aufgelöst, weint und lässt sich kaum trösten. Einerseits ist sie traurig über den Verlust des Stifts, andererseits hat sie ein schlechtes Gewissen ihrer Mutter gegenüber, dass sie nicht genug darauf aufgepasst hatte. Nachdem wir vergeblich nach dem Stift gesucht haben, gehen wir in das Klassenzimmer, wo die Kinderstunde stattfindet. Die Kinder versuchen, das immer noch weinende Mädchen zu trösten. Hier fällt der Satz: „Ich kann Dir morgen 10 Euro mitbringen, mein Papa hat Arbeit!“ Dieser Satz trifft mich ins Herz, denn er kommt von einem Jungen, der aus einer vermutlich ärmeren Familie kommt. Jedes Mal wenn ich ihn sehe, trägt er dieselbe Kleidung. Ich glaube, Kinder in diesem Alter können die finanzielle Lage daheim oft nicht richtig beurteilen. Aber er weiß, dass durch die Arbeit seines Vaters Geld vorhanden ist. Und das möchte er gerne weitergeben an Menschen, die es benötigen.
Wie oft sind wir nur auf uns selbst bedacht und schauen, dass es uns persönlich gut geht. Ein Sprichwort lautet: „Ich, mich, meiner, mir – Herr Gott, segne diese Vier!“ Ich gebe zu, das trifft oft auch auf mich zu. Wie oft habe ich meine Scheuklappen auf, renne wie blind durch den Alltag und sehe nur mich und meine Bedürfnisse und nicht meine Mitmenschen und ihre Sehnsüchte und Nöte. Mit dem Ausspruch Jesu: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“ sind wir aufgefordert, unserem Nächsten mehr Beachtung zu schenken und uns um ihn zu kümmern. Das möchte ich mir immer wieder neu ins Bewusstsein rufen und von diesem Jungen lernen: egal wie viel oder wenig ich habe, ich möchte teilen, was mir zu Verfügung steht. Das ist nicht nur Geld, sondern auch Zeit, Anerkennung und Liebe. Kinder sind mir da immer wieder ein tolles Vorbild, denn sie teilen sehr gerne und viel: ihr Vesper, ihre Stifte, ihre Schere, ihre Freude und vieles mehr.