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Andacht- und Predigt Archiv

Asylrecht bewahrt Menschenwürde

Veröffentlicht am Fr, 20.06.2014
von Franz Nagler
Pfarrer / Kath. Kirche, Kath. Kirchengemeinde St. Martinus Kornwestheim

Die Diskussion dieser Monate über das Ankommen vieler Flüchtlinge und des Antrages auf Asyl ist zumeist geleitet von der Frage, ob die Sozialsysteme unseres Landes dies verkraften. Dies ist eine gefährliche Verengung  der ganzen Thematik.
Aus den Erfahrungen der Nazizeit als schon 1941, 400 000 Deutsche jüdischen Glaubens und weitere 10 000 Deutsche Schutz in anderen Ländern gefunden hatten,  haben die Väter und Mütter des Grundgesetzes 1949 den kurzen und doch so folgenreichen Satz in Artikel 16,2 des GG formuliert: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Sie haben diesen Satz verstanden als eine Ausformung von Artikel 1,1 des GG: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Mit Art. 16,2 des GG wurde ein einklagbares Recht auf Asyl, auf Aufnahme in das Gebiet der BRD geschaffen. Kein anderes Land der Erde bietet strukturell einen derart hohen Stand des Asylrechtes. Dieses formale Recht gilt es mit Inhalten des Entstehens von Asyl zu füllen.
Das Asylrecht hat eine sehr lange Geschichte und reicht weit über die Zeit vor Christus zurück. Das Asylrecht war ursprünglich das Schutzrecht eines Ortes, bzw. einer Gottheit. Wer im Altertum in einen Tempel fliehe konnte, durfte von diesem „Heiligen Ort“ nicht weggeholt werden, ohne die Rache der Gottheit befürchten zu müssen. Botschaften haben heute noch eine  ähnliche Funktion. Gleichzeitig flohen bedrohte Menschen zu rivalisierenden Gegnern und bekamen dort aus taktischen Gründen Schutz und Asyl. Es bedurfte jedoch eines weiteren Schrittes, um das Asylrecht auf Personen an sich zu beziehen. Dazu musste erst ein Personenbegriff entwickelt werden. Dies wiederum wurde erst aufgrund des  jüdisch-christlichen Personenbegriffes möglich.  Psalm 8 fragt: „Was ist der Mensch?“ und gibt zur Antwort: „Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott.“ Aus diesem Verständnis, wie aus dem Schöpfungsbericht, dass der Mensch Gottes Abbild sei, wurde der Schluss gezogen, dass jeder Mensch als Person als heilig zu gelten hat und des Schutzes bedarf. Das Christentum bekannte sich sodann zur Menschwerdung Gottes in Jesus. Gott wurde Mensch und nicht eine bestimmt Art von Mensch. Paulus schrieb dann im Galaterbrief: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau: denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.“ Die Person an sich hat eine unverlierbare Würde und damit als Person in Gefahr ein Recht auf Asyl. Das war die Folge solchen Denkens.
Das Asylrecht hat heute die Funktion, Gegensätze, die zwischen dem Anspruch einer Gesellschaft auf Allgemeingültigkeit ihrer Gesetze und dem Unvermögen des Menschen, die einzig wahre Ordnung zu finden, zu überbrücken. Das Asylrecht ist ein Gerechtigkeitsmechanismus, der über das Völkerrecht hinausgeht und ist als ein humanitäres Instrument des Rechtschutzes unverzichtbar. Denn Flüchtlinge werden letztlich gemacht und sind selten autonome Entscheidungen von Menschen.

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