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Andacht- und Predigt Archiv

Angedacht: Ständig zwitschert es …

Veröffentlicht am Fr, 22.02.2013
von Hans-Martin Brombach
Pastor / Evang. Method. Kirche, Sonstige Dienste

Bei diesem Halbsatz denke ich nicht an den bevorstehenden Frühling.
Schlag auf Schlag geht es in unserer Zeit. Twittern ist für viele das große Thema. Ob der Schüler, der jeden nicht so gelungenen Satz seiner Lehrer twittert, kaum dass dieser den Mund zugemacht hat, sei es der Arbeitslose, der aus Langeweile jede seiner Tätigkeiten postet, sei es der Manager oder Politiker, die aus Sitzungen direkt Informationen, die eigentlich noch nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren, in die Welt posaunt, indem er kurz eine Twitter-Nachricht absetzt. Das Netz ist voll von oft sehr belanglosen und nichtssagenden Informationen, die eigentlich keiner braucht. Aber leider auch voll mit menschenverachtenden, diskriminierenden und verletzenden Halbinformationen.
Wenn es sich bei den Betroffenen um Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens handelt, z.B. Politiker, wird schnell aus einem getwitterten Halbsatz eine Affäre. Durch die Geschwindigkeit der Verbreitung ufert eine in die Welt gesetzte Mutmaßung schnell aus. Tausende nehmen umgehend Stellung, ohne sich näher mit der Quelle befasst zu haben. In kürzester Zeit stehen Reporter mit Mikrophon und Kamera in der Fußgängerzone und machen Umfragen, oder sie stehen in den Fluren der Parteizentralen und holen erste O-Töne ein. Oft genug stehen ihnen gegenüber Menschen, die erst durch den Fragenden auf die herumgeisternde Twitter-Nachricht aufmerksam gemacht und zur Stellungnahme herausgefordert werden. Ohne Zeit zur Prüfung und zum Nachdenken werden ersteinmal Statements abgegeben, die inhaltlich wie große Luftblasen wirken. Mutmaßungen, gar erste Forderungen, im einen Fall nach Rücktritt, im anderen Fall der Ruf nach dem Gesetzgeber, der möglichst sofort ein neues, schärferes Gesetz in dieser Sache auf den Weg bringen soll, stehen im Raum.
Und wer gerade kein Mikrophon vor dem Mund hat, um seine unwissenden Ergüsse von sich zu geben, twittert sie munter in die Welt.
Es ist Fastenzeit. 40 Tage zwischen Aschermittwoch und Ostern die einladen, einmal etwas auszuprobieren, einen Perspektivwechsel im eigenen Leben zu wagen. „Riskier was, Mensch!“ - so ist in diesem Jahr die Fastenaktion der Evangelischen Kirchen überschrieben. Wie wäre es denn, wenn man – wenigstens in dieser Zeit – einmal riskiert, nicht sekundennah auf Kurzinformationen zu reagieren, nicht besinnungslos Stellung zu beziehen zu Mutmaßungen und Halbwahrheiten, die andere in die Welt streuen. Wie wäre es denn, wenn mehr Menschen sich die Zeit nehmen, um sich zu Informieren, erst einmal Ruhe bewahren und nachdenken, bevor die nächste Kurzinformation gezwitschert wird. Etwas mehr Ruhe und Besinnung täte dem Zusammenleben in den unterschiedlichsten Bereichen unserer Gesellschaft allemal gut.
Ein weiser Mensch der Bibel hat Schon vor über 2500 Jahren gesagt: „Wer den Mund halten kann, bewahrt sein Leben; wer ihn zu weit aufreißt, bringt sich ins Verderben.“ (Sprüche 13,13)
Riskier’s, Mensch – wenigstens ersteinmal bis Ostern.

Hans-Martin Brombach ist Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche in Ludwigsburg

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