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Andacht- und Predigt Archiv

Angedacht: Gelernt ist gelernt

Veröffentlicht am Fr, 24.08.2012

Kürzlich habe ich einen Besuch in einem Pflegeheim gemacht. Mein Gegenüber war mit mir vertraut. Wir kennen uns seit vielen Jahren und wir kennen uns aus besseren Zeiten. Früher war immer eine intensive Unterhaltung möglich gewesen. Aber diese Zeiten sind vorbei. Da der Besuchte inzwischen sehr schlecht hört, kann kaum noch eine Unterhaltung stattfinden. Auch das Ablesen vom Mund, was das Verstehen unterstützen könnte, ist nicht mehr möglich, da mein Gegenüber nur noch grobe Umrisse wahrnehmen kann.
Ins linke Ohr muss jedes Wort oft mehrmals hineingeschrien werden. Aber mit seinen Gedanken ist er noch fit. Er spricht auch und kann klar seinen Willen kundtun. Wie einsam muss ein solcher Mensch geworden sein, so fragte ich mich. Die meiste Zeit des Tages muss er im Bett liegen, weil die Kräfte nicht einmal mehr zum Sitzen im Rollstuhl ausreichen. Er kommt nicht mehr mit anderen Menschen zusammen. Tritt jemand an sein Bett, so kann er meist nicht viel mehr wahrnehmen als dass ihn jemand besucht hat. Aber doch konnte er mir erzählen, warum er im Krankenhaus gewesen sei und in welchem Krankenhaus er gelegen habe.
Nur verlief die Unterhaltung etwas einseitig, weil es für mich schwer war mich verständlich zu machen. Trotzdem  haben wir miteinander vereinbaren können, dass wir das Heilige Abendmahl miteinander feiern. Über den bekannten Texten wie dem Vaterunser, dem Psalm vom guten Hirten und dem Segen, der am Schluss eines jeden Gottesdienstes gesprochen wird, war plötzlich eine Kommunikation in beide Richtungen wieder möglich geworden.
Die vertrauten Texte konnte er mitsprechen. Das Tempo des Sprechens hat er bestimmt. Selbst Lieder, wie „Großer Gott wir loben dich…“ hat der Pflegebedürftige mitsingen können, denn sie waren ihm von alters her vertraut. Da kam es nun nicht mehr darauf an ein einzelnes Wort zu verstehen, um den Inhalt zu erfahren. Da genügte es aus den Bruchstücken mehrerer Worte den Zusammenhang zu begreifen und da die Texte bekannt waren, entstand beim Mitsprechen eine tiefe und emotionale Situation.
Wie gute dachte ich, dass Vaterunser, Psalm 23 und das „Der Herr sehne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir uns sei dir gnädig…“dass diese Texte tief im Bewusstsein verankert sind. Vielleicht wurden sie einmal im Religions- oder Konfirmandenunterricht auswendig gelernt, vielleicht haben sie sich einfach durch den Gebrauch bei Andachten und Gottesdiensten eingeprägt. Aber sie sind nun im Alter ein Schatz, auf den man zurückgreifen kann.

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