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Andacht- und Predigt Archiv

Am Anfang ist das Wort

Veröffentlicht am Fr, 17.01.2014
von Hans-Martin Brombach
Pastor / Evang. Method. Kirche, Sonstige Dienste

So wichtig Gesten im Alltag sind, unser Hauptkommunikationsmittel ist die Sprache. Wer die in seinem Umfeld gesprochene Sprache nicht beherrscht, ist von wesentlichen Bereichen der Kommunikation und Information ausgeschlossen. Diese Erfahrung machen alle, die sich z.B. bei der Tourismusmesse CMT anregen lassen, nicht nur das eigene Land zu bereisen, sondern die Welt kennenzulernen. Komme ich in ein Land, dessen Sprache mir fremd ist, kann ich nicht mitreden, verstehe vieles nicht und bin auf Hilfe angewiesen. Hilfreich ist es, dass es z.B. Englisch als eine Art Weltsprache gibt, die an vielen Orten den Alltag des Reisenden erleichtern kann. Und wenn am Zielort jemand meine Sprache spricht, erlebe ich darin ein Stück Gastfreundschaft. Worte bauen erste Brücken zu Menschen und machen das (Er-) Leben angenehmer.
Nun gibt es auch Worte, über die sollte man ersteinmal nachdenken, bevor man sie in den Mund nimmt oder gar in eine andere Sprache übersetzt, weil sie nicht Brücken bauen, sondern ehr Gräben aufzureisen und verletzen. So z.B. die Unworte des Jahres. Als Unworte werden Worte und Formulierungen aus der öffentlichen Sprache bezeichnet, die sachlich grob unangemessen sind und in diskriminierender Weise die Menschenwürde einer Gruppe verletzen. Solch ein Wort wurde in dieser Woche wieder gekürt. Aus vielen Vorschlägen wurde der Begriff „Sozialtourismus“ ausgewählt. In der Begründung der Jury heißt es u.a., mit dem Begriff sei im vergangenen Jahr von Politikern und Medien gezielt Stimmung gegen unerwünschte Einwanderer aus Osteuropa gemacht worden. Es diskriminiere Menschen, die aus purer Not in Deutschland eine Zukunft suchen, und verschleiert ihr prinzipielles Recht hierzu.
Ja, dieses Wort befördert in pauschalisierender Weise eine Stimmung gegen Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen in unser Land kommen. Wie überall gibt es dabei schwarze Schafe, die z.B. soziale Angebote unseres Staates ausnützen. Aber nutzen wir nicht auch Menschen in vielen Herkunftsländern als Billiglohnarbeiter aus und bringen sie u.a. dadurch erst in Notlagen die sie dazu treiben, ihr Land zu verlassen. Hand aufs Herz: Wer verlässt schon gerne seine Heimat und lässt sein soziales Umfeld zurück. Wer geht schon freiwillig und ohne Not in eine Umgebung, in der man die Sprache als wesentlichem Kommunikationsmittel zum sozialen und psychischen Überleben nicht beherrscht und so zum Außenseiter abgestempelt wird? Mit Tourismus hat das nichts zu tun.
Klare Worte und eine deutliche Sprache sind wichtig, auch wenn etwas schief läuft. Aber davor steht zunächst ein offenes Ohr für die Situation der Menschen, die zu uns kommen, um sie in ihrer Lage verstehen zu lernen. Eine persönliche Begegnung ist in der Regel erhellender als viele Worte, die man so liest und hört. Da bekommt die menschliche Situation ein Gesicht. Oder mit Worten der Bibel gesprochen: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns!“

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